Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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nämlich kann durch „wissenschaftliche Argumente“ niemand <strong>über</strong>zeugt<br />
werden, daß das religiöse Anfangen und Erheben ein sinnloses und<br />
sinnwidriges sei. Wieder zeigt sich <strong>die</strong> Defizienz des „wissenschaftlichen“<br />
Geistbegriffes unmittelbar.]<br />
Über den Anfang, von dem <strong>die</strong>se Erhebung ausgeht, ist ferner sogleich<br />
auch <strong>die</strong>s zu bemerken, daß der Inhalt nicht ein sinnlicher, nicht ein<br />
empirisch konkreter der Empfindung oder Anschauung, noch ein konkreter<br />
der Phantasie ist, sondern es sind <strong>die</strong> abstrakten Gedankenbestimmungen<br />
der Endlichkeit und Zufälligkeit der Welt, von denen ausgegangen wird;<br />
gleicher Art ist das Ziel, bei dem <strong>die</strong> Erhebung ankommt, <strong>die</strong><br />
Unendlichkeit, absolute Notwendigkeit Gottes nicht in weiterer, reicherer<br />
Bestimmung, sondern ganz in <strong>die</strong>sen allgemeinen Kategorien gedacht.<br />
[199 Indem <strong>Hegel</strong> an der Abstraktion Endlichkeit und Zufälligkeit der Welt<br />
festhält, spricht er gleichsam immer schon zum säkularen Bewusstsein,<br />
aus <strong>die</strong>sem heraus, nicht aber zum religiösen und aus dem religiösen<br />
Bewusstsein heraus. Ein wichtiger Punkt seiner Perspektive und<br />
Argumentation. Kein religiöses Bewusstsein geht von „abstrakten<br />
Gedankenbestimmungen“ aus, jedes geht vielmehr von konkreten<br />
Inhalten aus, denen allerdings auch Empfindung und Anschauung,<br />
Vorstellung und Phantasie nicht bloß äußerlich beigesellt sind.<br />
Wer aber von solchen Abstraktionen ausgeht, der kann am Ziel nur bei<br />
ähnlichen Abstraktionen ankommen: bei einem reinen Gottesbegriff, der e<br />
contrario der Gegenbegriff zum reinen Weltbegriff sein soll. Was <strong>Hegel</strong><br />
hier modelliert ist das Bewusstsein der Aufklärung und<br />
Aufklärungsphilosophie. Hier <strong>die</strong> kontingente Welt, dort das notwendige<br />
Wesen, Gott genannt.]<br />
Nach <strong>die</strong>ser Seite muß gesagt werden, daß <strong>die</strong> Allgemeinheit des Faktums<br />
<strong>die</strong>ser Erhebung ihrer Form nach, falsch ist. Z. B. selbst von den Griechen<br />
kann man sagen, daß <strong>die</strong> Gedanken der Unendlichkeit, der an sich selbst<br />
seienden Notwendigkeit als des Letzten von allem nur den Philosophen<br />
angehört haben; weltliche Dinge lagen nicht in der abstrakten Form von<br />
weltlichen Dingen, zufälligen und endlichen Dingen so allgemein vor der<br />
Vorstellung, sondern in ihrer empirisch konkreten Gestalt, ebenso Gott<br />
nicht in der Gedankenbestimmung des Unendlichen, Ewigen, an sich<br />
Notwendigen, sondern in bestimmten Gebilden der Phantasie. Noch<br />
weniger ist es bei minder gebildeten Völkern der Fall, daß solche<br />
allgemeine Formen für sich vor ihrem Bewußtsein stehen; sie gehen wohl<br />
allen Menschen, weil sie denkend sind, wie man zu sagen pflegt, durch<br />
den Kopf, sind auch weiter in das Bewußtsein herausgebildet, wovon der<br />
eigentümliche Beweis ist, wenn sie in der Sprache fixiert sind; aber dann<br />
selbst tun sie sich zunächst als Bestimmungen von konkreten<br />
Gegenständen hervor, - sie brauchen nicht als für sich selbst selbständig<br />
im Bewußtsein fixiert zu sein. [200 Daß eine Abstraktion „falsch“ sein<br />
müsse, war zu erwarten gewesen; <strong>Hegel</strong> kommt nun auf <strong>die</strong> positive<br />
Gestalt der griechischen Religion zurück, um <strong>die</strong> von ihm vorausgesetzte<br />
Abstraktion eines „Faktums der Erhebung“ zu korrigieren.<br />
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