Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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Andererseits berührt sich <strong>die</strong> Gewißheit des Glaubens mit der Gewißheit<br />
der Vernunft, so <strong>Hegel</strong>, <strong>die</strong> Gewißheit des Glaubens sei im Innersten eine,<br />
<strong>die</strong> als gedachte und erkannte sich gewiß sei, und daher muß der<br />
Einspruch des Denkens gegen den Glauben, ist <strong>die</strong>ser Einspruch einmal<br />
erhoben, „<strong>die</strong> qualvollste Entzweiung in den Tiefen des Geistes“<br />
hervorrufen. In <strong>die</strong>ser Entzweiung steht <strong>die</strong> gesamte Moderne bis zum<br />
heutigen Tag. Und sie zu versöhnen, scheint unmöglich geworden. Doch<br />
ist es <strong>die</strong> Überzeugung der <strong>Hegel</strong>schen Position, daß sie - <strong>die</strong>se epochale<br />
Entzweiung - an sich immer schon versöhnt sei. ]<br />
VIII. - Solches Unglück ist jedoch glücklicherweise, wenn wir so sagen<br />
könnten, nicht <strong>die</strong> einzige Gestalt, in welcher das Verhältnis des Glaubens<br />
und Denkens sich befinden müßte. Im Gegenteil stellt sich das Verhältnis<br />
friedlich in der Überzeugung vor, daß Offenbarung, Glaube, positive<br />
Religion und auf der andern Seite Vernunft, Denken <strong>über</strong>haupt, nicht im<br />
Widerspruch sein müssen, vielmehr nicht nur in Übereinstimmung sein<br />
können, sondern auch, daß Gott sich in seinen Werken nicht so<br />
widerspreche, sich nicht so widersprechen könne, daß der menschliche<br />
Geist in seiner Wesenheit, der denkenden Vernunft, in dem, was er<br />
ursprünglich an ihm selbst Göttliches zu haben erachtet werden muß,<br />
demjenigen, was an ihn durch höhere Erleuchtung <strong>über</strong> <strong>die</strong> Natur Gottes<br />
und das Verhältnis des Menschen zu derselben gekommen sei,<br />
entgegengesetzt sein müsse. [8 Die wiederholten Konjunktive <strong>die</strong>ser<br />
Stelle sind von berührender, von tragischer Tiefe; <strong>Hegel</strong> weiß, <strong>die</strong>s<br />
Unglück ist ein verhängtes, ein unausweichliches, ein<br />
menschheitsgeschichtliches, und auch <strong>die</strong> universalste Philosophie wird<br />
nicht <strong>die</strong> Retterin sein können, es sei denn, sie könne eine moderne Form<br />
des Christentums gebären (helfen) können.<br />
Es müßte eigentlich nicht sein, sagt der zweite Teilsatz; aber der erste<br />
weiß, daß man nicht nur so sagen könnte, sondern so sagen muß. Das<br />
Gegenteil, das hier gleichsam mehr nur beschworen wird, stellt sich nicht<br />
vor, sondern es verbarg sich, jedenfalls der in ihre Selbstentzweiung<br />
eintretenden Christenheit.<br />
Einerseits müssen <strong>die</strong> beiden Faktoren - Glaube und Vernunft - in<br />
Widerspruch treten; andererseits müssen sie es nicht, wenn sie sich<br />
„friedlich in der Überzeugung“ begegnen, daß sich Gott in den<br />
Offenbarungen von Glaube und Vernunft nicht widersprechen könne.]<br />
IX. - So hat das ganze Mittelalter unter Theologie nichts anderes<br />
verstanden als eine wissenschaftliche Erkenntnis der christlichen<br />
Wahrheiten, d. i. eine Erkenntnis wesentlich verbunden mit Philosophie.<br />
Das Mittelalter ist weit entfernt davon gewesen, das historische Wissen<br />
<strong>vom</strong> Glauben für Wissenschaft zu halten; es hat in den Kirchenvätern und<br />
in dem, was zum geschichtlichen Material <strong>über</strong>haupt gemacht werden<br />
kann, nur Autoritäten, Erbauung und Belehrung <strong>über</strong> <strong>die</strong> kirchlichen<br />
Lehren gesucht. Die Richtung auf das Gegenteil, durch <strong>die</strong> geschichtliche<br />
Behandlung der älteren Zeugnisse und Arbeiten aller Art für <strong>die</strong><br />
Glaubenslehren vielmehr <strong>die</strong> menschliche Entstehung derselben nur<br />
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