Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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nachzugeben, dazu ermahnten <strong>die</strong> Weisen, besonders <strong>die</strong> Wahrheit des<br />
tragischen Chors, und wir bewundern <strong>die</strong> Ruhe ihrer Heroen, mit der sie,<br />
ungebeugten Geistes, frei das Los entgegennahmen, welches das<br />
Schicksal ihnen beschied. [248 Jede weltgeschichtliche Freiheit hat ihre<br />
Notwendigkeit; <strong>die</strong> schicksalhafte ist mit dem Christentum an sich, mit der<br />
säkularen Ersten Welt an und für sich, beseitigt. Daher können wir den<br />
mordenden Märtyrer, der sich dem von Allah diktierten Schicksal frei<br />
unterwirft, nicht mehr bewundern. Anders der Chor jener, <strong>die</strong> das Handeln<br />
des Märtyrers als wahres Opfer deuten und erfahren. Welches Los ist<br />
daher dem Jihad beschieden?]<br />
Diese Notwendigkeit und <strong>die</strong> dadurch vernichteten Zwecke ihres Willens,<br />
<strong>die</strong> zwingende Gewalt solchen Schicksals und <strong>die</strong> Freiheit scheinen das<br />
Widerstreitende zu sein und keine Versöhnung, nicht einmal eine<br />
Befriedigung zuzulassen. In der Tat ist das Walten <strong>die</strong>ser antiken<br />
Notwendigkeit mit einer Trauer verhängt, <strong>die</strong> nicht durch Trotz oder<br />
Erbitterung abgewiesen noch verhäßlicht wird, deren Klagen aber mehr<br />
durch Schweigen entfernt als durch Heilung des Gemüts beschwichtigt<br />
werden. [249 Der antike Heroe ist <strong>die</strong> Trauer des Schicksals selbst; nicht<br />
trauert er <strong>über</strong> ein ihm äußeres Schicksal. Daher ist er auch frei, obwohl<br />
er sich einer unfreien Notwendigkeit unterwirft. - Schweigen war im<br />
Inneren der griechischen Erhebung; Geschwätz verstellt und zerstreut im<br />
Inneren der säkularen Moderne alle Erhebung.]<br />
Das Befriedigende, das der Geist in dem Gedanken der Notwendigkeit<br />
fand, ist allein darin zu suchen, daß derselbe sich an eben jenes abstrakte<br />
Resultat der Notwendigkeit "Es ist so" hält, - ein Resultat, das der Geist in<br />
sich selbst vollbringt. In <strong>die</strong>sem reinen "Ist" ist kein Inhalt mehr; alle<br />
Zwecke, alle Interessen, Wünsche, selbst das konkrete Gefühl des Lebens<br />
ist darin entfernt und verschwunden. [250 Der Satz, es ist, weil es ist,<br />
<strong>die</strong>ser un<strong>über</strong>bietbare Immunisierungssatz des amor fati, setzt durch<br />
Freiheit <strong>die</strong> Notwendigkeit als Absolutum; eine un<strong>über</strong>bietbare<br />
Notwendigkeit, <strong>die</strong> mit der kontingenten Zufälligkeit der Widerfahrnisse<br />
gleichgesetzt wird. Denn alles, was ist, ist so, wie es ist. Das „Wert“-<br />
Prädikat des Notwendigseins kann an jeder Kontingenz angebracht<br />
werden. Aus Freiheit alle Freiheit durchstreichen: auch <strong>die</strong>s ist dem Geist<br />
nicht unmöglich. Abstrakte Freiheitswelten verweisen jedoch stets auf<br />
konkrete und höhere.]<br />
Der Geist bringt <strong>die</strong>s abstrakte Resultat in sich hervor, indem er selbst<br />
eben jenen Inhalt seines Wollens den Gehalt seines Lebens selbst<br />
aufgegeben, allem entsagt hat. Die Gewalt, <strong>die</strong> ihm durch das Verhängnis<br />
geschieht, verkehrt er so in Freiheit. Denn <strong>die</strong> Gewalt kann ihn nur so<br />
fassen, daß sie <strong>die</strong>jenigen Seiten ergreift, <strong>die</strong> in seiner konkreten Existenz<br />
ein inneres und äußeres <strong>Dasein</strong> haben. Am äußeren <strong>Dasein</strong> steht der<br />
Mensch unter äußerlicher Gewalt, es sei anderer Menschen, der Umstände<br />
usf., aber das äußere <strong>Dasein</strong> hat seine Wurzeln im Innern, in seinen<br />
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