Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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seiner Beziehung auf das Unendliche, das Unendliche in ihm, gewußt,<br />
erkannt, betätigt, <strong>über</strong>haupt in <strong>die</strong>ser Bestimmung Gegenstand und<br />
Zweck ist. [307 <strong>Hegel</strong> rekapituliert <strong>die</strong> dialektische Identität von<br />
Endlichkeit und Unendlichkeit; mögen sich beide fliehen wie „nur auch<br />
immer“, sie kommen nicht voneinander los. Wo irgend der Endlichkeit<br />
Wahrheit prädiziert werden muß, ist sie von ihrer Unendlichkeit, der<br />
wahren und wahrhaft unendlichen affiziert und durchdrungen.]<br />
Bekannt genug ist <strong>die</strong> Stellung, <strong>die</strong> dem Religiösen in Individuen und<br />
selbst in Religionen gegeben wird, daß dasselbe, Andacht, Herzens- und<br />
Geisteszerknirschung und Opfergaben, für sich als ein abgeschiedenes<br />
Geschäft abgemacht wird und daneben das weltliche Leben, der Kreis der<br />
Endlichkeit, sich selber hingegeben und freigelassen bleibt, ohne Einfluß<br />
des Unendlichen, Ewigen, Wahren auf denselben, - d. h. ohne daß in dem<br />
Kreise des Endlichen zum Unendlichen <strong>über</strong>gegangen, das Endliche durch<br />
das Unendliche zur Wahrheit und Sittlichkeit vermittelt und ebenso ohne<br />
daß das Unendliche durch Vermittlung des Endlichen zu Gegenwart und<br />
Wirklichkeit gebracht würde. [308 Das religiöse Leben als ein<br />
fürsichseiendes, in dem den Ansprüchen des Unendlichen Genüge getan<br />
wird; ist <strong>die</strong>s geschehen, kehrt man in <strong>die</strong> endliche Welt zurück, um <strong>die</strong>ser<br />
zu genügen; und <strong>die</strong>ser Verkehr als Bürger zweier Welten, macht eine<br />
wesentliche Definition auch der christlichen Religion, des christlichen<br />
Menschen aus. Daher konnte in der Geschichte des Christentums der<br />
(späterhin erkannte) unsittlichste Inhalt ohne Konflikt, ja ohne Bemerken<br />
einer gelebten Unwahrheit (Sklaverei, Rechtlosigkeit des Individuums<br />
undsofort) mit der gelebten Religion zusammengehen und<br />
zusammenbestehen.<br />
Daß <strong>Hegel</strong> mit <strong>die</strong>ser Einsicht <strong>die</strong> Schnittstelle von Welt- und<br />
Heilsgeschichte berührt, ist evident. Das Heilige der Religion muß sich als<br />
das Gute und Gerechte der Welt transformieren und manifestieren, ohne<br />
in <strong>die</strong>ser Veränderung und Hingabe an Welt und Menschheit sich als<br />
Heiliges und Heilendes vollständig zu verlieren und zu exkulpieren. Mag<br />
weltgeschichtlich dereinst <strong>die</strong> gerechteste und beste Welt unter den<br />
Endlichen sein, wird <strong>die</strong>se dennoch nicht unmittelbar (numerisch)<br />
identisch mit der Unendlichkeit der göttlichen Vernunft und des göttlichen<br />
Lebens sein.]<br />
Auf <strong>die</strong> schlechte Konsequenz, daß das Erkennende, der Mensch, absolut<br />
sein müßte, um das Absolute zu fassen, brauchen wir hier schon darum<br />
nicht einzugehen, weil sie ebensosehr den Glauben, das unmittelbare<br />
Wissen träfe, als welches auch ein Fassen-in-sich, wenn nicht des<br />
absoluten Geistes Gottes, doch wenigstens des Unendlichen sein soll.<br />
Wenn <strong>die</strong>s Wissen sich so sehr vor dem Konkreten seines Gegenstandes<br />
scheut, so muß er ihm doch etwas sein; eben das Nichtkonkrete, das<br />
wenige oder gar keine Bestimmungen an ihm hat, ist das Abstrakte, das<br />
Negative, das Wenigste, etwa das Unendliche. [309 <strong>Hegel</strong> weist <strong>die</strong><br />
Unterstellung zurück, daß <strong>die</strong> von ihm als möglich und notwendig<br />
behauptete Erhebung (des Endlichen in das Unendliche, des endlichen in<br />
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