Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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sei <strong>die</strong> „Vermittlung der Erziehung“, welche Denken und Wille der<br />
Glaubenden glaubend mache; <strong>die</strong>se Vermittlung der Wahrheitsreligion als<br />
umfassende Wahrheitsreligion ist selbstverständlich eine vordenklich<br />
denkende, ein vorstellendes Denken erziehende Glaubensweise.<br />
Wie könnte es anders sein, wenn <strong>die</strong> Wahrheiten des wahren Glaubens<br />
durch hierarchisch rituellen Vollzug und autoritäre Anerkennung der<br />
Glaubensinhalte vermittelt werden; daß das Christentum als<br />
Wahrheitsreligion nur als Vorstellungsreligion existieren kann, versteht<br />
sich, beides bedingt einander; denn auch daß <strong>die</strong> Wahrheit der christlichen<br />
Religion <strong>die</strong> Wahrheit ist, kann hier nur geglaubt werden, es kann nicht<br />
absolut gedacht und erkannt werden; es kann nicht nach Gründen in den<br />
Regionen des Denkens gesucht werden, weil <strong>die</strong>s einer Freiheit<br />
vorbehalten bleibt, <strong>die</strong> der Vorstellung und ihrer Wahrheitsweise<br />
unzugänglich ist.<br />
Dennoch ist klar, daß schon mitten im Mittelalter <strong>die</strong>ser Zug des Denkens<br />
des Glaubens einsetzte; gegen den heftigen Widerstand der Kirche, <strong>die</strong><br />
stets den Kampf moderni contra antiqui in den aktuellen Theologien<br />
mißbilligen mußte, - weil doch <strong>die</strong> eine und ewige Wahrheit ewig und einig<br />
feststand, wie das „Lehramt“ sich vorstellte und den Vorstellenden<br />
verkündete.<br />
<strong>Hegel</strong> will also <strong>die</strong> Überführung der Vorstellung und ihrer vorgestellten<br />
Wahrheit in <strong>die</strong> Sphäre des Begriffes und dessen Freiheit. Diese ist dann<br />
auch <strong>die</strong> Wahrheit jener Wahrheit, denn <strong>die</strong> Freiheit ist <strong>die</strong> Wahrheit einer<br />
noch unfreien Wahrheit. In den modernen Ohren und Augen nimmt sich<br />
<strong>die</strong>se Formulierung mißverständlich aus: ein erkannter Glaube sei doch<br />
nicht mehr Glaube; da könne man ja sogleich zu denken und zu<br />
philosophieren anfangen und das Erkannte wiederkäuen und wiedergeben,<br />
und <strong>die</strong>s sei dann unsere neue Religion, unser neuer Gott undsofort.<br />
Die Moderne kann sich eine absolut gegründete Freiheit noch gar nicht<br />
vorstellen, geschweige denken. Sie kann sich nicht mehr vorstellen, daß<br />
alle autonom ausdifferenzierten Freiheiten der säkularen Welt, in einer<br />
Freiheit und deren Wahrheit gehalten, in <strong>die</strong>ser ermöglicht, aus <strong>die</strong>ser<br />
verwirklicht werden, - aber nicht in demokratischer Egalität und<br />
Gleichberechtigung, <strong>die</strong> nur zu ideologischer Verabsolutierung einzelner<br />
Wahrheiten und deren Chaos im Bewußtsein der Menschen führt, sondern<br />
in einer genauen Teleologie aller Wahrheiten und Freiheiten, welche<br />
Teleologie daher einzusehen auch <strong>über</strong>lebenswichtig werden wird für jene<br />
radikal modern globalisierte Menschheit, <strong>die</strong> an <strong>die</strong> Pforte der<br />
Weltgeschichte pocht.]<br />
Fünfte Vorlesung<br />
I. - Um das Bisherige zusammenzufassen, sagen wir: Unser Herz soll sich<br />
nicht vor dem Erkennen scheuen; <strong>die</strong> Bestimmtheit des Gefühls, der<br />
Inhalt des Herzens soll Gehalt haben; Gefühl, Herz soll von der Sache<br />
erfüllt und damit weit und wahrhaft sein; <strong>die</strong> Sache aber, der Gehalt ist<br />
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