Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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Allein ein Mißtrauen gegen jene Mehrheit können wir sogleich fassen,<br />
wenn wir <strong>über</strong>legen, daß wir es hier nicht mit einem endlichen<br />
Gegenstande zu tun haben, und uns erinnern, daß unsere Betrachtung<br />
eines unendlichen Gegenstandes eine philosophische, nicht ein zufälliges,<br />
äußerliches Tun und Bemühen sein soll. Ein geschichtliches Faktum, auch<br />
eine mathematische Figur enthält eine Menge von Beziehungen in ihr und<br />
Verhältnisse nach außen, nach denen sie angefaßt und von denen aus auf<br />
das Hauptverhältnis, von dem sie selbst abhängen, oder auf eine andere<br />
Bestimmung, um <strong>die</strong> es zu tun ist und <strong>die</strong> hiermit gleichfalls<br />
zusammenhängt, geschlossen werden kann. [145 Unendlichkeit und<br />
Mehrheit differieren; <strong>Hegel</strong> möchte auf den Unterschied von schlechter<br />
und wahrer Unendlichkeit hinaus. Nur durch wahre Vernunft könne auch<br />
<strong>die</strong> wahre Unendlichkeit erkannt werden, und <strong>die</strong> philosophische Vernunft,<br />
weil als selbsterkannte realisierbar, sei <strong>die</strong> wahre Vernunft. Sie ist nur im<br />
Selbstvollzug ihres Begriffes realisierbar, nicht durch Heilige Schriften und<br />
Traditionen dekretierbar.<br />
Dies der Affront jeder Vernunftphilosophie gegen Religion; daher <strong>die</strong><br />
Klugheit der Religion, <strong>die</strong>sem Anspruch der Vernunft nicht auszuweichen,<br />
sondern ihn zu integrieren, ein Versuch, der bei den Kirchenvätern<br />
ansatzweise, im Mittelalter großartig gelungen ist, obwohl er in der<br />
Neuzeit und Moderne nicht fortsetzbar war, weil es sich um eine „alte“<br />
Vernunft handelte, welche <strong>die</strong> mittelalterliche Theologie als Voraussetzung<br />
ihres theologischen Denkens anerkannte und integrierte.<br />
<strong>Hegel</strong> exemplifiziert, per vergleichendes Denken, (als müsse er eine<br />
Einführungsvorlesung geben) <strong>die</strong> Relation von Innen- und<br />
Außenbeziehung wahrer Sachen am Beispiel Mathematik. In deren<br />
Geschichte erscheinen Wahrheiten zuhauf, <strong>die</strong> daher sowohl von der<br />
Innenseite (der Kenner und Wissende in Aktion) wie von der Außenseite<br />
(der Laie und Verkenner gleichfalls in Aktion) aufgefasst werden können<br />
und auch müssen. Interessant der Ausdruck „Hauptverhältnis“ - der<br />
Begriff sei das Haupt der Sache, - nicht <strong>die</strong> weitere empirische<br />
Realisierung seiner Totalität, nicht das konkrete historische Erscheinen der<br />
Sache (ist <strong>die</strong> Haupt-Sache), obwohl ohne <strong>die</strong>ses Erscheinen <strong>die</strong> Sache<br />
eine für niemanden oder nur für eine verschwindende (und oft<br />
verschwundene) Minderheit wäre (war). Und statt „Haupt“ können wir<br />
„Grund“ oder „Prinzip“ oder „Vernunft“ oder „Begriff und Wesen“ als<br />
Namensmelder vormerken. Nur aus dem Hauptverhältnis gefolgerte<br />
Schlüsse sind daher wahre Schlüsse, alle anderen sind halbwahre oder<br />
ganzfalsche.]<br />
Von dem pythagoreischen Lehrsatze sollen etliche und zwanzig <strong>Beweise</strong><br />
erfunden worden sein. Ein geschichtliches Faktum, je bedeutender es ist,<br />
steht mit so vielen Seiten eines Zustands und anderen geschichtlichen<br />
Verlaufs im Zusammenhang, daß von jeder derselben aus für <strong>die</strong><br />
Notwendigkeit der Annahme jenes Faktums ausgegangen werden kann;<br />
der direkten Zeugnisse können ebenso sehr viele sein, und jedes Zeugnis<br />
gilt, insofern es sich nicht sonst widersprechend zeigt, in <strong>die</strong>sem Felde für<br />
einen Beweis. [146 <strong>Hegel</strong> auf pythagoreischen Abwegen. Die „Mehrheit“<br />
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