Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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anderen Menschen, ihre geistige Gemeinschaft. Das Objektive, <strong>die</strong> Sache,<br />
ist das an und für sich Allgemeine, und so ist es auch für alle. Als das<br />
Allgemeinste ist es an sich Gedanke <strong>über</strong>haupt, und der Gedanke ist der<br />
gemeinschaftliche Boden. Wer, wie ich sonst gesagt habe, sich auf das<br />
Gefühl, auf unmittelbares Wissen, auf seine Vorstellung oder seine<br />
Gedanken beruft, schließt sich in seine Partikularität ein, bricht <strong>die</strong><br />
Gemeinschaftlichkeit mit anderen ab; - man muß ihn stehenlassen. [68<br />
Wie spät kommt <strong>Hegel</strong> auf das Soziale und Kollektive sprechen, auf<br />
dasjenige, was doch nach seiner eigenen Philosophie zentral zur<br />
Sittlichkeit (Politik) und Religion gehört; es ist, als wollte er zunächst nur<br />
das ideale Subjekt als Subjekt konstruieren; <strong>die</strong>ses aber zugleich schon<br />
verstehen als Moment einer Intersubjektivität, und weil sich <strong>die</strong>s von<br />
selbst verstehe, sei es als Appendix der eigentlichen Konstruktion<br />
nachzuschicken.<br />
<strong>Hegel</strong> hätte sich sehr verwundert, daß im 20. Jahrhundert eigene<br />
Philosophiezweige in <strong>die</strong> Welt traten, <strong>die</strong> das Kommunikative als solches in<br />
das ideale Zentrum stellen sollten. Dies aber deshalb, weil das Allgemeine<br />
des Gedankens und des Willens erstarb oder nur in Gestalt wüster<br />
Ideologien <strong>die</strong> Menschen noch verband; auch <strong>die</strong> philosophische<br />
Fetischisierung der Sprache gehört hierher: ist das Allgemeine der<br />
Vernunft in Denken und Willen sterbend, so betritt das dämonisch<br />
partikularisierte Einzelsubjekt <strong>die</strong> Bühne, Nominalismus und Pluralismus<br />
regieren, und menschenmordende Ideologien ebenso: als Kehrseite der<br />
atomisisierten und entmoralisierten Subjektivität.<br />
Doch ist zu sehen, daß lediglich eine geschichtliche Gestalt des<br />
Allgemeinen nicht mehr im Denken der Nachgeborenen, schon seit dem<br />
19. Jahrhundert, festgehalten werden konnte; wie wenige Geister<br />
seitdem, <strong>die</strong> noch <strong>die</strong> Kraft aufbrachten und -bringen, <strong>die</strong> großen Systeme<br />
auch nur verstehen zu wollen.<br />
Daß sich das Bürgertum im 19. Jahrhundert von <strong>Hegel</strong> und seiner Schule<br />
abwandte, um das Triumvirat Schopenhauer-Wagner-Nietzsche auf das<br />
Podest zu heben, war bereits ein untrügliches Vorzeichen seines<br />
Verschwindens im Zeichen absterbender Vernunftkraft. Daß aber zugleich<br />
nur <strong>die</strong> <strong>Hegel</strong>sche Linke geschichtsmächtig wurde, jedenfalls bis 1989,<br />
vollendete <strong>die</strong> Katastrophe der Vernunft im kurzen Jahrhundert der<br />
Extreme.<br />
Die Frage, ob <strong>die</strong> mit dem sich als Begriff wissenden Begriff verbundene<br />
Universalität, oder anders: ob der Anspruch auf logische Universalität<br />
nicht dennoch gerade im Babylon der Gegenwart, im an sich selbst<br />
irrewerdenden Pluralismus und Liberalismus der modernen Demokratie,<br />
(<strong>die</strong> so stolz ist auf ihre „Offenheit“, das sie nicht bemerkt, auf welcher<br />
schiefen Ebene <strong>die</strong> Offenheit ihres Wissenschaftspluralismus dahingleitet)<br />
eine Wiederkehr der Vernunftphilosophie, wenn auch in gewandelter<br />
Gestalt, notwendig machen könnte, ist eine der zentralen Fragen der<br />
Gegenwart und mehr noch der Zukunft. Dies penibel herausgearbeitet zu<br />
haben, ist das Ver<strong>die</strong>nst vieler Arbeiten von Vittorio Hösle.<br />
Das Allgemeine der Vernunft - in Erkennen und Willen - bricht also <strong>die</strong><br />
Partikularität und Vereinzelung des Gefühls auf, das allgemeine Medium<br />
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