Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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Es ist klar, daß in einer Vernunftreligion nicht mehr <strong>vom</strong> „Faktum“ einer<br />
Erhebung, nicht mehr von der Tatsache religiöser Erhebungen <strong>die</strong> Rede<br />
sein kann; vielmehr erscheinen <strong>die</strong>se Fakta in der Sicht der<br />
Vernunftreligion als Unmittelbarkeiten, <strong>die</strong> sich durch sich selbst<br />
vermitteln, ohne einen absoluten, in der Vernunft gesetzten und<br />
gegründeten Grund ihrer Vermittlung und Unmittelbarkeit angeben zu<br />
können und angeben zu müssen.<br />
Denn es ist <strong>die</strong> Tradition, <strong>die</strong> das Gebäude der Religion(en) weiterträgt.<br />
Ihnen liegt eine bestimmte Anfangsoffenbarung zugrunde, also wiederum<br />
ein Faktum, das als Ausgangspunkt <strong>die</strong>nt, an dem eine ursprüngliche und<br />
vorbildliche Erhebung des endlichen Menschen in <strong>die</strong> unendliche Gottheit<br />
erfolgte. Ihr wird nachgefolgt, und das Faktum der Nachfolge ist <strong>die</strong><br />
Tradition einer Religion und <strong>die</strong> Religion einer bestimmen Tradition.<br />
<strong>Hegel</strong> wirf das endliche <strong>Dasein</strong> mit dem weltlichen zusammen; in der<br />
Religion aber erscheint ein bestimmtes endliches Selbst als absolutes,<br />
jedenfalls als der Ort, an dem das Ewige im Endlichen erschienen und<br />
erscheinend sei. Man läuft nicht vergeblich x-Mal um <strong>die</strong> Kaaba in Mekka<br />
gegen den Uhrzeigersinn, wenn der Sinn <strong>die</strong>ses Tuns nicht verbürgte, was<br />
der Sinn der religiösen Erhebung verbürgt.]<br />
Sie ist somit vermittelt durch jenen Anfang und ist nur <strong>die</strong> Erhebung zum<br />
Unendlichen und in sich selbst Notwendigen, indem sie nicht bei jenem<br />
Anfange, welcher hier allein das Unmittelbare (und <strong>die</strong>s selbst nur, wie<br />
sich später bestimmt, relativ) ist, stehenbleibt, sondern vermittels des<br />
Verlassens und Aufgebens solchen Standpunkts. Diese Erhebung, welche<br />
Bewußtsein ist, ist somit in sich selbst vermitteltes Wissen. [198 <strong>Hegel</strong><br />
versucht im Feld der zwei Abstraktionen - Endlichkeit und Unendlichkeit<br />
<strong>über</strong>haupt - <strong>die</strong> Vermittlung der religiösen Erhebung zu vermitteln.<br />
Durchscheinend ist auch hier der Gegengedanke: daß nämlich nicht mit<br />
dem Endlichen, sondern mit dem Unendlichen selbst der Anfang gemacht<br />
sei oder zu machen sei. Doch auch <strong>die</strong>se Figur der Vermittlung ist der<br />
Religion nicht unbekannt; im Christentum etwa in der Form, daß das sich<br />
erhebende endliche Gemüt sich nur erheben kann, wenn es zuvor schon<br />
Gott erhoben wurde; <strong>die</strong>ses Erheben ist <strong>die</strong> Bedingung der Möglichkeit<br />
jenes Erhebens.<br />
Im abstrakten Begriff erfolgt <strong>die</strong>se doppelte Bewegung durch <strong>die</strong> Einsicht,<br />
daß <strong>die</strong> anfangs erscheinende Unmittelbarkeit und Absolutheit des<br />
endlichen Anfangens und des anfangenden Endlichen eine nur relative<br />
Absolutheit besitzt, somit nicht <strong>die</strong> Dignität eines wirklichen Anfangens.<br />
Wie und wodurch kann denn das Endliche <strong>über</strong>haupt verlassen werden?<br />
Nach moderner Lehre ohnehin nicht oder nur illusionär - durch das Opium<br />
Religion; aber nach nicht-moderner Lehre ist das Endliche gar nicht das,<br />
wofür es <strong>vom</strong> modernen Bewusstsein und seinen Weltlehren gehalten<br />
wird.<br />
Daß <strong>die</strong> Erhebung des religiösen Bewusstseins eine von <strong>die</strong>sem gewusste<br />
ist und insofern eine Gestalt und Bewegung des Wissens, das „in ihm<br />
selbst vermittelt“ ist, liegt schon in der Autonomie des Bewusstseins von<br />
Religion und Religiosität. Zum Ärger des nichtreligiösen Bewusstseins<br />
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