Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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Subjekts bezwungen und harmonisiert, im zweiten Fall ist es umgekehrt:<br />
das Subjekt wird unter den „gegebenen Zustand“ gezwungen und doch<br />
nicht gezwungen, weil es dem Zwang zustimmt und daher <strong>die</strong> Schranke<br />
des Zwingens entschränkt.<br />
Die heroische Resignation ist also ein Resultat, indem das Subjekt auf <strong>die</strong><br />
Inhalte seines Wollens Verzicht geleistet hat; es will nun und vollführt<br />
auch <strong>die</strong> Inhalte der Welt. Es ist nicht passive Anpassung, es ist tätige.<br />
(Eine nur passive Anpassung wäre ohnehin ein Selbstwiderspruch, weil<br />
das Subjekt an und für sich frei ist.)]<br />
Diese Freiheit der Abstraktion ist nicht ohne Schmerz, aber <strong>die</strong>ser ist zum<br />
Naturschmerz herabgesetzt, ohne den Schmerz der Reue, der Empörung<br />
[wegen] des Unrechts, wie ohne Trost und Hoffnung; aber sie ist des<br />
Trostes auch nicht bedürftig, denn der Trost setzt einen Anspruch voraus,<br />
der noch behalten und behauptet ist und nur, in einer Weise nicht<br />
befriedigt, auf eine andere einen Ersatz verlangt, in der Hoffnung noch ein<br />
Verlangen sich zurückbehalten hat. [256 Wodurch wird <strong>die</strong>ser Schmerz<br />
einer Freiheit, <strong>die</strong> nur durch Entselbstung ihr Selbst wiedergewinnen kann,<br />
zum „Naturschmerz herabgesetzt“? - Weil <strong>die</strong> stoisch-heroische<br />
Resignation weder der Reue noch Empörung, weder des Trostes noch der<br />
Hoffnung bedarf? Was ist ein „Naturschmerz“?<br />
<strong>Hegel</strong> scheint <strong>die</strong> Entselbstung als eine Art Entgeistigung anzunehmen;<br />
indem sie auf sich nicht mehr reflektiert, was doch nur wieder zu jenen<br />
Verhaltensweisen (und Hilfsmitteln) führen würde, zu Reue, Empörung,<br />
Trost und Hoffnung, bleibt sie sich gleichsam fremd oder hat sich selbst<br />
fremd gemacht; sie geht sich selbst gleichsam nichts mehr an, - doch<br />
eben darin nimmt sie sich wie ein Ding, wie ein Tier, das nichts mehr von<br />
sich zu wissen vorgibt. Der Geist hätte so radikal mit seiner vormaligen<br />
Existenz abgeschlossen, daß er gleichsam ein anderes, ein „absolut“<br />
anderes Leben begonnen, eine völlig andere Identität angenommen<br />
hätte.]<br />
Aber darin liegt zugleich das erwähnte Moment der Trauer, das <strong>über</strong> <strong>die</strong>se<br />
Verklärung der Notwendigkeit zur Freiheit verbreitet ist. Die Freiheit ist<br />
das Resultat der Vermittlung durch <strong>die</strong> Negation der Endlichkeiten als das<br />
abstrakte Sein; <strong>die</strong> Befriedigung ist <strong>die</strong> leere Beziehung auf sich selbst, <strong>die</strong><br />
inhaltslose Einsamkeit des Selbstbewußtseins mit sich. [257 Die Trauer<br />
ist, wie schon erwähnt, <strong>die</strong> des Schicksals, nicht <strong>die</strong> Trauer eines<br />
Subjektes, das irgendeinen Verlust beklagte, denn <strong>die</strong> Kategorie „Verlust“<br />
kommt im vormodern-heroischen Bewusstsein nicht vor; und dennoch<br />
kann es sich nicht glücklich nennen, es ist traurig, obwohl „in Einklang“<br />
mit seiner Welt. Die „Verklärung“ ist eine traurige, und ihre<br />
Unausweichlichkeit ändert nichts an <strong>die</strong>ser Traurigkeit. Aber <strong>die</strong>se Einsicht<br />
ist nur zu gewinnen aus einer Position, <strong>die</strong> voraussetzt und voraussetzen<br />
kann, daß Freude und Glück in <strong>die</strong>ser Welt sein soll. Eine Voraussetzung,<br />
<strong>die</strong> nicht jeder Welt gegeben wird.<br />
Daher resultiert im stoischen Bewusstsein auch jene Leere einer leeren<br />
Beziehung auf sich selbst; es ist zwar bei den Inhalten der Welt „dabei“,<br />
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