Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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daher sind alle Religionen nichts als Fiktionen und b) es ist ein Gott, und<br />
daher sind alle Religionen des Gottes Wohnungen und Wege.<br />
Kein Geist, der nicht sich auf innere Erfahrungen seiner Geistigkeit, seiner<br />
Identität sich bezöge; aber, wie <strong>Hegel</strong> selbst ausspricht, es sind <strong>die</strong><br />
„entgegengesetztesten“ Fakta und inneren Erfahrungen möglich. Es<br />
scheint insofern kein Letztes und Ersten, kein an und für sich Notwendiges<br />
für den Geist zu geben, und der eine mag daher an eine Erhebung in Gott,<br />
der andere mag an keine solche Erhebung glauben.<br />
Angesichts <strong>die</strong>ser Faktologie kontingenter Geistfakta verweist nun <strong>Hegel</strong><br />
auf <strong>die</strong> Notwendigkeit, wahre von falschen, notwendige von zufälligen,<br />
wahrhaft geistige von geistlosen Fakta (und deren Erfahrungen) zu<br />
unterscheiden. Die Notwendigkeit der Sache scheint der einzige Bürge für<br />
„<strong>die</strong> Richtigkeit“ der Sache zu sein; und weil „<strong>die</strong> Notwendigkeit“ eine<br />
allgemeine Form ist, <strong>die</strong> in unserer Sprache und unserem Denken präsent<br />
ist, fragt es sich, wie <strong>die</strong>se mit den religiösen Inhalten (Fakta und<br />
Erfahrungen des Geistes) zusammengehen soll, um als wirklicher „Bürge“<br />
erscheinen und wirksam werden zu können.]<br />
Der Boden <strong>die</strong>ses höheren Faktums aber ist ferner für sich der Boden der<br />
Abstraktion; nicht nur ist es am schwersten, <strong>über</strong> sie und ihre<br />
Zusammenhänge ein bestimmtes und waches Bewußtsein zu haben,<br />
sondern sie für sich ist <strong>die</strong> Gefahr, und <strong>die</strong>se ist unabwendbar, wenn <strong>die</strong><br />
Abstraktion einmal eingetreten, <strong>die</strong> glaubende Menschenbrust einmal von<br />
dem Baume der Erkenntnis gekostet hat, das Denken in seiner<br />
eigentümlichen Gestalt, wie es für sich und frei ist, in ihr aufgekeimt ist.<br />
[205 Der „Boden“ ist eine Metapher, <strong>die</strong> unbestimmt lässt, wie das<br />
„höhere Faktum“ des (religiösen) Geistes mit dem (noch höheren?)<br />
Faktum der Gedankenbestimmung desselben Faktums zusammenhängt.<br />
Bemüht man das Wirken einer ontologischen Kausalität (der<br />
Gedankenbestimmungen), ist man wieder auf <strong>die</strong> Wege des ontologischen<br />
Gottesbeweises verwiesen, denen sich <strong>Hegel</strong> beizeiten (ohne<br />
propädeutisches Umkreisen) zuwenden sollte. Der Boden eines<br />
Wohnzimmers beispielsweise ist nur der Boden, nicht das Wohnzimmer in<br />
der Fülle seiner Gegenstände. Ohne Boden ist allerdings das Wohnzimmer<br />
ein Ding der Unmöglichkeit; aber ein Wohnzimmer lediglich „aus Boden“<br />
bestehend, ist noch kein bewohntes Wohnzimmer.<br />
Die „Gefahr“ der Abstraktion scheint <strong>die</strong> zu sein, den Boden mit dem<br />
Wohnzimmer gleichzusetzen oder gar zu verwechseln. Wir hätten dann<br />
zwar den „Zusammenhang der Abstraktionen“, gleichsam den Plan und <strong>die</strong><br />
Punktierung jener Linien, auf welchen <strong>die</strong> Gegenstände des konzeptierten<br />
Wohnzimmers zu stehen kommen sollen, nicht aber <strong>die</strong>se selbst, nicht<br />
schon das wirkliche Wohnzimmer betreten und gesichtet. Gleichwohl ist es<br />
richtig, daß jeglicher Einrichtung eines Wohnzimmers, ein akkurater Plan,<br />
<strong>die</strong> Abstraktion des Wohnzimmers vorausliegt und immanent ist.<br />
<strong>Hegel</strong> lässt nun <strong>die</strong> Verkostung <strong>vom</strong> Baum der Erkenntnis mit der durch<br />
Philosophie möglich gewordenen Geläufigkeit und Freiheit unseres<br />
Denkens in den Gedankenbestimmungen der Vernunft in eins fallen. In<br />
der Philosophie wird sich <strong>die</strong> Vernunft ihres Wesens, ihrer<br />
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