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Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net

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Eine ganz andere „Missionierung“ als in der Welt der vormodernen<br />

Epochen. Und <strong>die</strong>ser epochale Unterschied schlägt bekanntlich auf <strong>die</strong><br />

Kirche zurück: es ist in ihr kein Konsens <strong>über</strong> <strong>die</strong> Frage: welcher Art soll<br />

<strong>die</strong> „Befreiung“ durch den christlichen Glauben sein? Ist der reiche<br />

brasilianische Grundbesitzer durch seinen Glauben ebenso „befreit“ wie<br />

der arbeitslose Arbeiter desselben Grund und Bodens? Nur der Islam<br />

versucht nochmals durch vormoderne Missionierung seine Zelte<br />

vorzuschieben.]<br />

III. - Dieser vor dem Bewußtsein liegende Zusammenhang soll nicht ein<br />

subjektives Ergehen des Gedankens außerhalb der Sache sein, sondern<br />

nur <strong>die</strong>ser selbst folgen, nur sie, ihre Notwendigkeit selbst exponieren.<br />

Solche Exposition der objektiven Bewegung, der inneren eigenen<br />

Notwendigkeit des Inhalts ist das Erkennen selbst, und ein wahrhaftes als<br />

in der Einheit mit dem Gegenstande. Dieser Gegenstand soll für uns <strong>die</strong><br />

Erhebung unseres Geistes zu Gott sein, - <strong>die</strong> soeben genannte<br />

Notwendigkeit der absoluten Wahrheit als des Resultates, in das sich im<br />

Geiste alles zurückführt. [80 Natürlich erhebt sich hier der Einwand, <strong>die</strong>s<br />

sei lediglich eine Erhebung „in Gedanken“, während sie doch eine des<br />

ganzen Menschen sein soll. Daß also zwischen der Denknotwendigkeit und<br />

der Lebensnotwendigkeit, zwischen der objektiven Selbstbewegung des<br />

Gedankens und der stets schicksalshaft bewegten Bewegung des<br />

menschlichen Lebens ein Unterschied sei. Welcher Vernünftige könnte <strong>die</strong>s<br />

leugnen? Aber <strong>die</strong>ser Einwand verwechselt <strong>die</strong> Gebiete: Aufgabe des<br />

theoretischen Dogmas ist das reine Erkennen und Darstellen des<br />

Erkannten; wie <strong>die</strong>ses ein (neues) Leben, ein insbesondere sozial<br />

organisierbares Leben bedingen und ermöglichen mag, ist zunächst nicht<br />

Aufgabe der theoretischen Dogmenarbeit.<br />

Dennoch ist nicht zu verkennen, wie <strong>Hegel</strong> hier eine Theologisierung des<br />

Christentums, ja der Menschheit ins Visier nehmen muß. Und Theo-Logie<br />

war dereinst eben <strong>die</strong>s: Lehre <strong>vom</strong> Leben Gottes, also auch von unserem<br />

Leben in jenem Leben. Die Gefahr eines Kurzschlusses von Theorie und<br />

Praxis, einer Reduzierung <strong>die</strong>ser auf jene, muß natürlich gebannt werden.<br />

Ist nämlich das Erkennen (der göttlichen Sache) der Inhalt der Sache und<br />

zugleich deren Praxis, dann besteht <strong>die</strong> Gefahr, daß <strong>die</strong>ses Erkennen mit<br />

dem Inhalt absolut gleichgesetzt und insofern zur Instanz einer<br />

Selbsterlösung durchs Erkennen wird. Dieser gnostischen „Endlösung“<br />

durch <strong>die</strong> Selbsterlösung einer „absolut“ erkennenden Menschheit droht<br />

nicht nur <strong>die</strong> Rückseite aller religionskritischen Aufklärung, <strong>die</strong> da meinte,<br />

„absolute“ Aufklärung sein zu können: stets noch stürzte sie in ihr<br />

Gegenteil um: krude Anbetung des Irdischen.<br />

Man muß daher daran erinnern, daß der Geist, auch der göttliche, nie nur<br />

Erkennen ist, weil schon <strong>die</strong> Einheit von Theorie und Praxis in Gott <strong>die</strong>sen<br />

Kurzschluß verbietet. Wäre im erkannten Gott kein unerkannt handelnder<br />

(mehr), wäre <strong>die</strong> Geschichte zu Ende. - Aber ist nicht auch <strong>die</strong> genannte<br />

Einheit von Theorie und Praxis, mag sie auch in der Geschichte<br />

unerreichbar sein, ein Gedanke, ein in Gott realer und realisierter<br />

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