Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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schon als abstraktes Denken voraus; er setzt es so voraus, wie der<br />
Verstand es denkt, weil er selbst so denkt.<br />
In einem konkretistischen Zeitalter wie dem unseren, ist es „natürlich“<br />
unsinnig, <strong>die</strong>ser Erhebung weitreichende Anerkennung gewinnen zu<br />
wollen. Dabei war es ursprünglich das Ansinnen der Aufklärung gewesen,<br />
den neuen - vollends aufgeklärten - Menschen auf Vernunft und Freiheit<br />
zu stellen, auf <strong>die</strong>se Säulen einer Autonomie, <strong>die</strong> jede Heteronomie fortan<br />
hinter sich lassen sollte.]<br />
XXVI. - Was zunächst <strong>über</strong>haupt das Wissen betrifft, so ist der Mensch<br />
wesentlich Bewußtsein; somit ist das Empfundene, der Inhalt, <strong>die</strong><br />
Bestimmtheit, welche eine Empfindung hat, auch im Bewußtsein, als ein<br />
Vorgestelltes. Das, wodurch <strong>die</strong> Empfindung religiöse Empfindung ist, ist<br />
der göttliche Inhalt; er ist darum wesentlich ein solches, von dem man<br />
<strong>über</strong>haupt weiß. Aber <strong>die</strong>ser Inhalt ist in seinem Wesen keine sinnliche<br />
Anschauung oder sinnliche Vorstellung, nicht für <strong>die</strong> Einbildungskraft,<br />
sondern allein für den Gedanken. Gott ist Geist, nur für den Geist, und nur<br />
für den reinen Geist, d. i. für den Gedanken; <strong>die</strong>ser ist <strong>die</strong> Wurzel solchen<br />
Inhalts, wenn auch weiterhin sich Einbildungskraft und selbst Anschauung<br />
dazu gesellt und <strong>die</strong>ser Inhalt in <strong>die</strong> Empfindung eintritt. Diese Erhebung<br />
des denkenden Geistes zu dem, der selbst der höchste Gedanke ist, zu<br />
Gott, ist es also, was wir betrachten wollen. [26 Wissen ohne Bewußtsein<br />
ist nicht Wissen; wohl ist der Mensch auch Unbewußtsein, aber <strong>die</strong>ses<br />
macht Sinn nur als Moment von Bewußtsein, nicht umgekehrt, wie <strong>die</strong><br />
Psychoanalyse zuweilen dachte. Was Inhalt des Bewußtseins ist, ist<br />
gewußter Inhalt; <strong>Hegel</strong> erwähnt hier nicht <strong>die</strong> Reflexion des Bewußtseins<br />
in sein Selbstbewusstein, aber sie versteht sich von selbst; er will hier <strong>die</strong><br />
Gegenständlichkeit erörtern, <strong>die</strong> nur im Bewußtsein, nur in einem - stets<br />
individuellen - Bewußtsein eine gewußte Gegenständlichkeit ist und sein<br />
muß.<br />
Wenn aber Wissen bei unseren Bewußtseinsinhalten immer „dabei“ ist,<br />
dann gilt <strong>die</strong>s auch für <strong>die</strong> religiösen; und <strong>die</strong> Urfrage Anselms, in uns sei<br />
der Gedanke eines Wesens, <strong>über</strong> dessen Größe Größeres nicht gedacht<br />
werden könne, enthielt ein Bewußtsein <strong>über</strong> <strong>die</strong>ses Bewußtsein.<br />
Zunächst ist aber das Gewußtsein des Inhaltes im Bewußtsein ein<br />
unbestimmtes, das Wissen ist nur unmittelbar, nur unmittelbare<br />
Bestimmtheit von Gewußtsein: es ist eine und zwar <strong>die</strong> Vorstellung meines<br />
Bewußtseins. Außerhalb der Jemeinigkeit von Vorstellungen gibt es keine,<br />
es gibt keine unjemeinigen, auch keine „zwischen“ zwei Bewußtseinen. -<br />
Das religiöse Bewußtsein ist also formal von Bewußtsein <strong>über</strong>haupt nicht<br />
unterschieden, es hat Teil an <strong>die</strong>ser Struktur und Verfaßtheit des lumen<br />
naturale. Aber dem Inhalte nach ist der Inhalt als göttlich geglaubt, im<br />
Glauben als göttlich gesetzt.<br />
Dies erfolgt also im Zirkel des Glaubens, in dessen Autonomie; und sofort<br />
erhebt sich <strong>die</strong> Frage nach dem Geltungsanspruch <strong>die</strong>ses Zirkels bezüglich<br />
seines Inhaltes; wie ist <strong>die</strong> Göttlichkeit eines geglaubten göttlichen<br />
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