Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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eigenen Praxis stellt sich jeder vor, so sei es auch, so sei das Erkennen:<br />
naive verum-factum-Theorie. Und auf den meisten Bewußtseinsstufen ist<br />
es sozusagen normal, einen Gegenstand unabhängig <strong>vom</strong> Denken<br />
vorauszusetzen, als außerhalb jedes Denkens existierend. Daher bezöge<br />
sich dann unser Erkennen auf eine an sich unerkennbare Welt, unser<br />
Denken auf eine an sich gedankenlose, eine „sinnlose“ und<br />
„verantwortungslose“.<br />
Denken und Sein bleiben einander fremd, und besser ist’s dann, gar nicht<br />
zu erkennen, sondern nicht zu erkennen, sich in ein Tier von Anschauen,<br />
Fühlen usf. zu verwandeln. Schon <strong>die</strong> Vorstellung eines Anwendens von<br />
Erkennen enthält das Konzept von Erkennen als Werkzeug oder Mittel<br />
oder Medium. Fern <strong>die</strong> gegensätzliche Vorstellung, daß der Gegenstand<br />
seine eigene Erkenntnis - in unserer - sein könnte und sein muß, wenn<br />
wahre Erkenntnis von Welt und Mensch möglich sein soll.<br />
Der Gegenstand verbliebe, wäre das Erkennen stets nur als Werkzeug<br />
möglich, außerhalb des Erkennens, so wie sich Hammer und Nagel nie in<br />
<strong>die</strong> Wand verwandeln, in <strong>die</strong> sie schlagen und geschlagen werden. Die<br />
beiden sind also getrennt und insofern endlich: begrenzt, sie haben aber<br />
aneinander und gegeneinander ihre Grenze, sie bestimmen sich in und<br />
durch <strong>die</strong>ses Gegeneinander. Daraus folgt im endlichen Erkennen: es<br />
fängt stets wieder von vorne an, bildet Theorie um Theorie aus, und<br />
ebenso soll - Diktum heutiger Geisteswissenschaften - jedes Individuum<br />
„seine“ Methode ausbilden und „anwenden“.<br />
Der Gegenstand bleibt in seinem unerreichbaren An-Sich daher<br />
unerkennbar, das endliche Denken wird nicht unendliches, es kehrt nicht<br />
aus seinem Anderen in sich selbst zurück, desgleichen der Gegenstand<br />
nicht aus seinem Denken in sein Sein. Indem beide einander äußerlich<br />
bleiben, bleiben sie sich selbst äußerlich.<br />
Dies eine merkwürdige Vorstellung und Fixiertheit des Verstandes, denn<br />
es kann nicht geleug<strong>net</strong> werden, daß der Begriff eines natürlichen Dinges,<br />
eines Steines, eines Baumes usf. an <strong>die</strong>sem natürlichen Ding in Raum und<br />
Zeit wirklich vorhanden ist. Der Verstand verwundert sich daher nicht <strong>über</strong><br />
<strong>die</strong> Wesenswirklichkeit der Welt, sondern lediglich <strong>über</strong> sein eigenes<br />
Verhalten zu derselben, <strong>über</strong> sein eigenes entfremdetes In-der-Welt-Sein.<br />
- <strong>Hegel</strong>s ontologische These daher: es muß ein Erkennen geben, daß der<br />
Wahrheit der Welt gemäß ist, denn aus solchem Erkennen und<br />
Konzeptieren ist sie hervorgegangen; und da unser Geist Teil der Welt in<br />
<strong>die</strong>ser Beziehung ist, gilt <strong>die</strong>s auch für unser Erkennen: es muß der<br />
Wahrheit gemäß werden können. Daher <strong>die</strong> ontotheologische These: das<br />
absolute Denken alles Seins ist zweimal existent: an sich als Realität von<br />
Natur und Geschichte, für uns aber in der erkannten Form <strong>die</strong>ser Realität,<br />
im Nach-Denken des einen Denkens.<br />
Im Grunde ist hier schon, in <strong>die</strong>sem scheinbar beiläufigen<br />
Einleitungsgeplänkel <strong>über</strong> das Wesen von Erkennen, der Begriff des<br />
Gottesbeweises mitgedacht. Denken wir Etwas in seinem Begriff als<br />
dessen Realität, dann denken wir darin das absolute Denken in einem<br />
partikularen existierend; folglich existiert auch das absolute Denken,<br />
folglich ist das Sein Gottes bewiesen. Wird nun eingewandt, <strong>die</strong>s setze<br />
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