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Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net

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Die orientalische Weltanschauung ist im allgemeinen <strong>die</strong>se Erhabenheit,<br />

welche alle Vereinzelung in <strong>die</strong> besonderen Gestaltungen und <strong>die</strong><br />

partikularen Existenzen und Interessen in das Weite führt, das Eine in<br />

Allem anschaut und <strong>die</strong>s für sich abstrakte Eine eben damit in alle<br />

Herrlichkeit und Pracht des natürlichen und geistigen Universums kleidet.<br />

Die Seele ihrer Dichter taucht sich in <strong>die</strong>sen Ozean, ertränkt darin alle<br />

Bedürfnisse, Zwecke und Sorgen eines kleinlichen, gebundenen Lebens<br />

und schwelgt in dem Genuß <strong>die</strong>ser Freiheit, zu dem sie alle Schönheit der<br />

Welt als Schmuck und Zierat verwenden. [355 Von <strong>die</strong>ser Erhabenheit ist<br />

<strong>die</strong> der jüdischen Religion und ihres Jahwe genau zu unterscheiden; <strong>die</strong>ser<br />

geht gleichsam „in <strong>die</strong> Höhe“, jener geht „in <strong>die</strong> Breite.“ - Jahwe kann in<br />

der Welt gar nicht geschaut werden, Brahman kann <strong>über</strong>all in der Welt<br />

geschaut werden.]<br />

Schon aus <strong>die</strong>sem Bild erhellt das, wor<strong>über</strong> ich mich anderwärts erklärt<br />

habe, daß der Ausdruck Pantheismus oder vielmehr der deutsche<br />

Ausdruck, in welchen er etwa umgesetzt wird, daß Gott das Eine und alles<br />

sei - τὸ ἕν ϰαὶ παν -, zu der falschen Vorstellung führt, daß in<br />

pantheistischer Religion oder Philosophie alles, d. h. jede Existenz in ihrer<br />

Endlichkeit und Einzelheit seiend als Gott oder als ein Gott ausgesprochen,<br />

das Endliche als seiend vergöttert werde. Dergleichen Zumutung kann nur<br />

in einen bornierten menschlichen oder vielmehr Schulverstand kommen,<br />

welcher gänzlich unbekümmert um das, was wirklich ist, sich eine<br />

Kategorie, und zwar <strong>die</strong> der endlichen Vereinzelung festsetzt und <strong>die</strong><br />

Mannigfaltigkeit, von der er gesprochen findet, nun als feste, seiende,<br />

substantielle Vereinzelung faßt. [356 Im mythischen Pantheismus ist nicht<br />

das Einzelne als Einzelne vergöttert; denn es gibt kein Einzelnes als<br />

Einzelnes (<strong>die</strong>s ist bereits eine säkulare Setzung) in <strong>die</strong>ser allumfassenden<br />

Erhabenheit; dagegen wäre Stirners Position: „der Einzige und sein<br />

Eigentum“, als eine mögliche Variante, <strong>die</strong> solipsistische, des modernen<br />

Pantheismus denkbar. (Jeder ist sein Einziger, sein absolutes Eigentum;<br />

jeder ist zwar auch nur wie alle: Einziger; aber zwischen ihnen ist kein<br />

Band, keine allgemeine Vernunft, keine Sittlichkeit, kein Geist, sondern<br />

nur <strong>die</strong> Gleichgültigkeit singulärer Atome. - Das wirlose Ich als sein<br />

Schicksal.)]<br />

Es ist nicht zu verkennen, daß <strong>die</strong> wesentliche und christliche Bestimmung<br />

der Freiheit und der Individualität, <strong>die</strong> als frei unendlich in sich und<br />

Persönlichkeit ist, den Verstand dazu verleitet, <strong>die</strong> Vereinzelung der<br />

Endlichkeit in der Kategorie eines seienden, unveränderlichen Atoms zu<br />

fassen und das Moment des Negativen, welches in der Macht und in deren<br />

allgemeinem Systeme liegt, zu <strong>über</strong>sehen. Alles, d. h. alle Dinge in ihrer<br />

existierenden Vereinzelung seien Gott, - so stellt er sich den Pantheismus<br />

vor, indem er das παν in <strong>die</strong>ser bestimmten Kategorie von allem und<br />

jedem Einzelnen nimmt; eine solche Ungereimtheit ist keinem Menschen<br />

je in den Kopf gekommen außer solchen Anklägern des Pantheismus. [357<br />

<strong>Hegel</strong>s Kritik des modernen Pantheismus beziehungsweise dessen, was<br />

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