Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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polemisch selbst gegen das Wissen <strong>über</strong>haupt ausspricht. Er ist so auch<br />
nicht ein Glaube, der sich einem anderen Glauben entgegenstellt; Glauben<br />
ist das Gemeinschaftliche beider. Es ist dann der Inhalt, der gegen den<br />
Inhalt kämpft; <strong>die</strong>s [sich] Einlassen in den Inhalt führt aber unmittelbar<br />
das Erkennen mit sich, wenn anders <strong>die</strong> Widerlegung und Verteidigung<br />
von Religionswahrheit nicht mit äußerlichen Waffen, <strong>die</strong> dem Glauben und<br />
der Religion sosehr als der Erkenntnis fremd sind, geführt werden. [48<br />
Wieder ein leicht korrumpierter Text, das „sondern“ ist unvermittelt, es<br />
fehlen einzelne Worte im Text. Die Grundaporie lautet: aus Wissen stellt<br />
sich der Glaube polemisch gegen Wissen, ohne <strong>die</strong>sen Selbstwiderspruch<br />
zu bemerken. Daher ist „Glauben“ das „Gemeinschaftliche“ beider, weil es<br />
zum Wesen von „Wissen“ gehört, von einer Voraussetzung auszugehen,<br />
<strong>die</strong> dem Wissen als unmittelbares Nichtwissen vorausliegt.<br />
(Wissen ohne seinen Gegensatz: ungewußtes Sein, ist nicht denkbar, nicht<br />
möglich) - <strong>Hegel</strong> spricht hier scheinbar ganz nebelhaft; ein Schein, der<br />
sich einstellt, weil er auf der Prinzipienebene, auf der sein Denken <strong>die</strong><br />
prinzipiellen Unterschiede der Sache erblickt, nur einführende, verhüllte<br />
Bestimmungen gleichsam herausnimmt, um sie popularisierend<br />
einzuführen; daher <strong>die</strong>se Mischung aus Erbaulichkeit und Leerheit;<br />
ungeduldig harrt der Hörer und Leser, es möge das Eigentliche beginnen.<br />
Zugleich aber ist <strong>die</strong> ganze Tiefe schon da, man muß sie nur sehen.<br />
Interessant <strong>die</strong> Erwähnung der „äußerlichen Waffen“; der Dreißigjährige<br />
Krieg lag um 1820/30 erst zweihundert Jahre zurück! Gern möchten wir<br />
nun glauben, daß derlei Waffen der Religion „fremd“ sind; unter Christen<br />
scheint jedenfalls das einzige Nordirland weiterhin der an sich<br />
vergangenen Unfremdheit zu huldigen.<br />
Wie können zwei, <strong>die</strong> grundsätzlich „asymmetrisch“ zueinander stehen,<br />
gegeneinander polemisieren? Heute: Wissenschaftswelt und<br />
Glaubenswelt? Auch <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Problematik bis heute; <strong>die</strong> linken<br />
Kirchenhasser und <strong>die</strong> kirchlichen Vernunfthasser, - wer bringt sie an<br />
einen Stammtisch?<br />
Keineswegs aber ist heute der Glaube noch so „zutrauensvoll zu sich“ wie<br />
in der einstigen, durchs Kollektiv und eine ecclessia triumphalis, wie durch<br />
den protestantischen Innerlichkeits-Geist gestützten Glaubenswelt; wir<br />
leben in einer Nichtglaubenswelt. Daher der Glaube als „Totalexperiment“<br />
(E. Heintel) möglich und notwendig geworden.]<br />
II. - Der Glaube, welcher das Erkennen als solches verwirft, geht eben<br />
damit der Inhaltslosigkeit zu und ist zunächst abstrakt als Glaube<br />
<strong>über</strong>haupt, wie er sich dem konkreten Wissen, dem Erkennen<br />
entgegenstellt, ohne Rücksicht auf Inhalt zu nehmen. So abstrakt ist er in<br />
<strong>die</strong> Einfachheit des Selbstbewußtseins zurückgezogen; <strong>die</strong>ses ist in <strong>die</strong>ser<br />
Einfachheit, insofern es noch eine Erfüllung hat, Gefühl, und das, was im<br />
Wissen Inhalt ist, ist Bestimmtheit des Gefühls. Die Behauptung des<br />
abstrakten Glaubens führt daher unmittelbar auch auf <strong>die</strong> Form des<br />
Gefühls, in welche <strong>die</strong> Subjektivität des Wissens sich "als in einen<br />
unzugänglichen Ort" verschanzt. - Von beiden sind daher kurz <strong>die</strong><br />
Gesichtspunkte anzugeben, aus denen ihre Einseitigkeit und damit <strong>die</strong><br />
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