Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Totalität <strong>über</strong>geschichtlich bzw vorgeschichtlich ist; b) in ihrer jeweiligen<br />
geschichtlichen Erscheinung aber zugleich geschichtlich.<br />
Das „Recht an sich“ ist daher den bekannten „Wandlungen“ der<br />
Geschichte unterworfen, aber mehr noch ist jede Wandlung den absoluten<br />
Inhalten des Rechtes an sich unterworfen. Denn kein geschichtliches<br />
Recht kann sich bewähren und halten, wenn es nicht dem ewigen Recht<br />
als wenigstens einer von dessen Bestimmungen entstammt.<br />
Es versteht sich, daß hier <strong>die</strong> wichtigsten Menschheitsfragen unserer<br />
unmittelbaren Zukunft liegen, denn <strong>die</strong> sogenannte Globalisierung macht<br />
letztlich Sinn und Zweck nur, wenn sie einer weiteren Erscheinung eines<br />
erweiterten Rechtes <strong>die</strong>nt. Die aktuelle Menschheit kennt noch nicht ein<br />
wirklich realisiertes Menschheitsrecht, weil es noch keine Menschheit als<br />
rechtlich geeinte gibt. Die Offenbarungsgeschichte ist noch nicht zu Ende,<br />
ja bezüglich der menschheitlichen Dimension einer Weltgerechtigkeit<br />
scheint sie eher erst an ihrem Anfang zu stehen. Vieles bewegt sich noch<br />
in formellen Vorsta<strong>die</strong>n sowohl der Konzeptierung wie ohnehin der<br />
Realisierung.<br />
Die Sphäre des Denkens, in der <strong>die</strong> Gerechtigkeitsbegriffe gründen, ist<br />
also <strong>die</strong> Sphäre der göttlichen Vernunft, der Raum des notwendigen<br />
Denkens der göttlichen Vernunft. Es gibt in Gott <strong>die</strong>se „Region des<br />
Denkens“, deren <strong>die</strong> Menschheit sukzessive teilhaftig wird, nicht um nur in<br />
ihr und an und <strong>über</strong> sie nachzudenken, sondern um danach <strong>die</strong> Welt zu<br />
einer geeinten Menschheitswelt zu machen.<br />
Dies ist nicht Aufklärung im bekannten Sinn: daß der Mensch <strong>die</strong> Welt und<br />
<strong>die</strong> Geschichte als deren Herr in <strong>die</strong> eigenen Hände gemäß eigener<br />
Gedanken nehmen sollte und könnte. Denn ein Gesetz kann nur eines<br />
sein, seiner Wahrheit und Tragfähigkeit nach, wenn es in der<br />
Notwendigkeitssphäre gründet, <strong>die</strong> nicht eine erdachte und nicht eine<br />
gemachte sein kann, weil in <strong>die</strong>sem Falle der Begriff der Notwendigkeit<br />
und Wahrheit sogleich in sich zusammenfiele. Alles Sollen wäre ein bloß<br />
erdachtes und von unserem willkürlichen Denken vorkonstruiertes, - ein<br />
eingebildetes Sollen. Es wäre gleichgültig, Eigentum als Recht oder als<br />
Unrecht bestimmen zu sollen; es wäre gleichgültig, Leben als Recht zu<br />
schützen oder zu vernichten undsofort.<br />
Auch hierin liegt natürlich ein Vorklang an den eigentlichen ontologischen<br />
Gottesbeweis: ist nämlich das Recht in einem nichtwillkürlichen Denken<br />
Gottes begründet, dann ist auch dessen „Denkfreiheit“ daran nicht nur<br />
gebunden, sondern sie erweist sich erst in ihren absoluten<br />
Notwendigkeiten als sich setzende und absolute Freiheit. Wir wissen, daß<br />
in Gott Freiheit und Notwendigkeit ungetrennt sind, daß keine Willkür und<br />
Kontingenz in ihm ist. Weder der Fatumsglaube alter Religionen noch der<br />
Kontingenzglaube moderner Provenienz (Jonas) ist imstande, <strong>die</strong>se<br />
Untrennbarkeit zu erkennen und festzuhalten.<br />
Dies auch deshalb brisant, weil <strong>die</strong> Rechtsvorstellungen der alten<br />
Religionen, nicht mehr der säkularisiert christlichen, indem sie sich auf<br />
göttliche Bücher oder Buchoffenbarungen berufen, in denen Gott alles<br />
gesagt und bestimmt habe, aus welchen sich daher jede Dimension von<br />
Recht und Gerechtigkeit ableiten lasse, letztlich einen Willkürgott<br />
77