Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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Wesentlichkeit außerhalb der Flüchtigkeit des erscheinenden<br />
Hervortretens in sich befaßt und aufbewahrt enthält. In <strong>die</strong>ser<br />
ungetrennten Einheit derselben - denn das Herz drückt den einfachen Puls<br />
der lebendigen Geistigkeit aus - vermag <strong>die</strong> Religion den unterschiedenen<br />
Gehalt der Gefühle zu durchdringen und zu ihrer sie haltenden,<br />
bemeisternden, regierenden Substanz zu werden. [63 <strong>Hegel</strong>s Satz <strong>vom</strong><br />
Nichtzurückbehalten könnte Inhalt eines Satzes von Silesius sein. Das<br />
Innerste der Gottheit soll in das Innerste des Menschen; beider Innerstes<br />
soll getauscht werden, das Sein des Ichs soll ein anderes, nämlich das<br />
wahre werden. Die Differenz soll aufgehoben werden, jene, <strong>die</strong> zwischen<br />
dem Inhalt der Wahrheit und dem Inhalt der Unwahrheit, also zwischen<br />
Gott und Ich vorliegt.<br />
Insofern ist das Glauben nur als enuma, Stehen im Glauben, möglich,<br />
nicht das Dafürhalten von Inhalten als wahren Inhalten. Nicht mehr Ich<br />
glaube <strong>die</strong>sen Inhalt als wahren, sondern: Ich bin <strong>die</strong>ser Inhalt geworden;<br />
<strong>die</strong>s versucht <strong>Hegel</strong> mit der Formel <strong>vom</strong> Gefühl als der ungetrennten<br />
Innigkeit zu fassen. Dabei führt er nun das Gefühl in das Herz <strong>über</strong>, das<br />
enge in das weite Fühlen gleichsam. Als „Herz“ ist das empfindende Ich<br />
eine Summe von empfundenen Inhalten, ist das einfache Gefühl in<br />
vielfältiger Bewegung, und zwar durch <strong>die</strong> Inhalte, von dessen eigenen<br />
Bestimmheiten umgetrieben, geführt und besiegt.<br />
Wir dürfen nicht vergessen: Inhalt des Glaubens ist letztlich Gott, Gottes<br />
Sein, - religiös: Gottes Selbstempfindung; also bedarf es <strong>die</strong>sbezüglich<br />
eines „Gefühls“ im Menschen, das alles gewöhnliche Gefühl geradezu<br />
vernichtet, weil es <strong>die</strong> Gestalt „<strong>die</strong>ser einzelnen“ Subjektivität aufhebt.<br />
Daher spricht <strong>die</strong> Mystik von der Liebe immer in Verbindung mit Schauen<br />
und Sprechen; es ist das nichteinsame „Fühlen“ schlechthin. Denn in der<br />
göttlichen Selbstempfindung ist <strong>die</strong> universale Subjektivität nicht zu einer<br />
einzelnen zusammengehend, sondern zu einer einzigartigen, alle<br />
einzelnen umfassenden Subjektivität.<br />
Gott ist einer und einzigartig, <strong>die</strong>s ist nicht Phrase, sondern auslegbare<br />
Definition, früh schon in der jüdischen Geschichte belegt. Die Singularität<br />
Gottes ist nicht <strong>die</strong> eines natürlich begrenzten endlichen Geistes. - Daher<br />
nun <strong>Hegel</strong>s Klage <strong>über</strong> das gewöhnliche Verstehen, <strong>über</strong> das nichtreligiöse<br />
Verstehen von Gefühl, dem er freilich anfangs selbst noch das Wort<br />
redete: „ich selbst als <strong>die</strong>se seiende Persönlichkeit“; jetzt aber: <strong>die</strong> „Alles<br />
...in sich befassende Persönlichkeit“. Ich, als <strong>die</strong>ser Einzelne, kann Alles<br />
(das Göttliche) nur in mich befassen, wenn ich als Einzelner gesprengt<br />
und geopfert werde.<br />
Um nun <strong>die</strong>se beiden Weisen des Befassens auseinanderzuhalten, seinen<br />
ersten Begriff korrigierend und negierend, <strong>vom</strong> einzelnen zum allgemeinen<br />
Gefühl aufsteigend, führt <strong>Hegel</strong> das „Herz“ ein, das nun <strong>die</strong> „umfassende<br />
Einheit der Gefühle nach ihrer Menge wie nach der Dauer“ bezeichnen soll.<br />
Das Herz als universales Symbol der ganzen Individualität, an <strong>die</strong> sich <strong>die</strong><br />
Inhalte wenden, in deren Totalität sie verschwinden und auferstehen<br />
sollen, ist daher ein zentrales Symbol aller Religionen, aller<br />
Liebesverhältnisse.<br />
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