Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
(endliche?!) Natur vermittelt. Und daher geht <strong>die</strong> Frage nach der<br />
Notwendigkeit der Welt im Grunde auf <strong>die</strong> nach der Ewigkeit der Welt, der<br />
Materie, „der Natur.“ Diese wird auch in der Schule kontrovers<br />
beantwortet.]<br />
So sehen wir zweierlei entgegengesetzte Bestimmungen erfordert für <strong>die</strong><br />
Notwendigkeit von etwas: seine Selbständigkeit, aber in <strong>die</strong>ser ist es<br />
vereinzelt und es ist gleichgültig, ob es ist oder nicht, - sein Begründetund<br />
Enthaltensein in der vollständigen Beziehung auf das andere alles,<br />
womit es umgeben ist, durch welchen Zusammenhang es getragen ist: so<br />
ist es unselbständig. Die Notwendigkeit ist ein Bekanntes, ebenso wie das<br />
Zufällige. Nach solcher ersten Vorstellung genommen ist alles mit ihnen in<br />
Ordnung; das Zufällige ist verschieden von dem Notwendigen und weist<br />
auf ein Notwendiges hinaus, welches aber, wenn wir es näher betrachten,<br />
selbst unter <strong>die</strong> Zufälligkeit zurückfällt, weil es, als durch Anderes gesetzt,<br />
unselbständig ist; als entnommen aber solchem Zusammenhang, [als]<br />
vereinzelt ist es sogleich unmittelbar zufällig; <strong>die</strong> gemachten<br />
Unterscheidungen sind daher nur gemeinte. [235 Es ist notwendig, daß<br />
<strong>die</strong> Existenz des Endlichen auch als zufällige ist, sie wäre anders nicht<br />
endliche Existenz; durch seine Selbständigkeit geht deren Notwendigkeit<br />
in Zufälligkeit <strong>über</strong>, es wird nicht notwendige Existenz. Die Dialektik von<br />
Selbständigkeit und Unselbständigkeit inhäriert jener von Notwendigkeit<br />
und Zufälligkeit. Das trennende Ordnen des Verstandes: hier der Zufall,<br />
dort <strong>die</strong> Notwendigkeit und zwischen beiden ein noli me tangere, ist<br />
lediglich eine Verstandesordnung, eine Zurichtung der Welt zu<br />
verständigen Zwecken.<br />
Etwas ist notwendig; aber sein „ist“ bedingt, das ein nicht absolutes Sein,<br />
sondern einzelnes Sein sein muß; also ist es nicht notwendig; es ist durch<br />
seine Notwendigkeit zufällig, und seine Zufälligkeit ist seine<br />
Notwendigkeit; es ist gleichsam ein unaufhörliches Ineinander<strong>über</strong>gehen<br />
<strong>die</strong>ser beiden Bestimmungen im endlichen <strong>Dasein</strong>; es ist der Herzschlag<br />
aller endlichen Dinge.<br />
Ich bin, also bin ich notwendig; aber ich könnte auch nicht sein und ich<br />
war auch nicht und ich werde dereinst nicht mehr sein, ich werde gewesen<br />
sein; bin ich nun zufällig oder notwendig (gewesen)? Diese Reflexion<br />
erfolgt im Inneren des Geistes aus dessen Freiheit; er lächelt gleichsam<br />
dabei, weil er weiß, auf <strong>die</strong>ser Schaukel lässt sich endlos schaukeln, und<br />
keine Gefahr besteht, von der Schaukel geworfen zu werden. Anders in<br />
der Welt der (unfreien) Dinge; der Kontingenzbeweis scheint <strong>die</strong>se<br />
Differenz von (vormenschlicher) Welt und realer Menschenwelt zu<br />
vernachlässigen.<br />
Daß sich <strong>die</strong> Kategorien der Zufälligkeit und Notwendigkeit auseinander<br />
erzeugen, bedingt auch, daß sie in einen Grund zurückgehen müssen, der<br />
<strong>die</strong>ses Erzeugen erzeugt; es ist eben nicht durch sich, sondern durch sein<br />
Anderes. Widrigenfalls wären Zufälligkeit und Notwendigkeit „das Letzte<br />
und Erste von allem“, wie bereits erörtert, unter anderem im Konnex mit<br />
den Aporien der Evolutionstheorie.]<br />
206