Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net
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nicht durch einen Begriff des Denkens des Handelns kurzzuschließen.<br />
Daher auch <strong>die</strong> Enthaltsamkeit <strong>Hegel</strong>s auf dem ehrwürdigen Gebiet von<br />
Prophetie und Prognostik.<br />
Nun spricht <strong>Hegel</strong> aber auch von einer Inkonsequenz in und bei <strong>die</strong>ser<br />
„inneren Konsequenz“; ein Widerspruch, der allerdings seiner Auflösung<br />
harrt. Wie kommt das Prinzip dazu, Erscheinungen zu ermöglichen, <strong>die</strong><br />
das Prinzip an sich verunmöglicht oder nicht enthält? Doch könnte <strong>die</strong><br />
Lösung schon in der „Abstraktheit“ des Prinzips liegen; weil in <strong>die</strong>ser <strong>die</strong><br />
unendlichen Mixturen, welche <strong>die</strong> Welt der Erscheinungen ermöglicht und<br />
auch erzwingt, nicht vorhersehbar sind, kann - nicht eigentlich gegen das<br />
Prinzip - sondern jenseits des Prinzips, ein freies Ergehen der<br />
Erscheinungen als Erscheinungen möglich und notwendig sein. Und <strong>die</strong>s<br />
ist selbstverständlich durchgängig der Fall, da wir es mit der Realität und<br />
Realisierung von Freiheit, der stets mehr als ein bloßes Moment von<br />
Willkür beigemischt ist, zu tun haben.<br />
Auffällig <strong>die</strong> Analogie zur Natur - in der Sicht des <strong>Hegel</strong>schen Begriffes:<br />
wie <strong>die</strong>se nicht auf strenge Dichotomien der Ideen (von anorganischer und<br />
organischer Substanzen) zurückführbar ist, sondern einen „Überschuß“ an<br />
Lebewesen und Nicht-Lebe-Wesen hervorbringt, ebenso produziert <strong>die</strong> an<br />
sich „geistlose Phantasie“ einen Überschuß gegen das reine Prinzip, gegen<br />
<strong>die</strong> reine Idee der Sache.<br />
Dazu ist <strong>die</strong>se - <strong>die</strong> „Phantasie“ -, also der konkrete Geist im juste Milieu<br />
seines weltgeschichtlichen Lokalortes unmittelbar gezwungen: <strong>die</strong> relative<br />
Isoliertheit des Geistes gebiert sogleich eine Sonderung des Geistes, eine<br />
spezielle Realisierung des Prinzips, in der das Prinzip eben nur als Prinzip,<br />
nicht als totale Realisierung erscheinen kann und soll. Über <strong>die</strong> Uniformität<br />
des Begriffes und seines Prinzips hinaus, soll es <strong>die</strong> Pluralität der<br />
Erscheinung(en), deren am Ende nur mehr kontingente Individualisierung<br />
geben. Man könnte sagen: <strong>die</strong> Idee knausert nicht; aber sie lässt auch<br />
nicht endlos mit sich spielen; alle Pluralitäten haben den Tag ihres<br />
Verschwindens zu gewärtigen.<br />
„Mythologie“ ist der eigentliche Name <strong>die</strong>ses Verhältnisses und <strong>die</strong>ser<br />
Realität; ihrer bunten Geschichte und Vergänglichkeit. Ein neues Prinzip,<br />
eine neue Religion erscheint zunächst eingetaucht in eine Vielfalt einander<br />
widerstreitender Erscheinungen; und erst der Streit, dessen Durchführung<br />
und Aufteilung in Sieger und Besiegte, klärt <strong>über</strong> das auf, was als Prinzip<br />
neu erscheinen sollte. Unmöglich, daß ein neues Prinzip anders als unter<br />
Streit (mit anderen und deren Erscheinungen) erscheinen könnte.<br />
Und daher ist auch nur auf der Ebene der „reinen“ Prinzipien eine<br />
Entscheidung dar<strong>über</strong> möglich, ob <strong>die</strong> Zuteilung rechtens oder unrechtens<br />
erfolgte. Die Geschichte der Konzilien im Gang des christlichen<br />
Abendlandes ist <strong>die</strong>sbezüglich eines von vielen Lehrstücken.<br />
Daß im Islam <strong>die</strong> Tradition der Scharia obsiegte, nicht <strong>die</strong> der Mutaliziten,<br />
kann nicht bloß äußeren Ursachen und Bedingungen, Zufällen und<br />
vereinzelten Ereignissen in <strong>die</strong> Schuhe geschoben werden; es muß im<br />
Wesen des Korans <strong>die</strong> Tendenz zur Scharia als der besten Realisierung des<br />
Geistes des Korans liegen. Bezüglich der Substanz des Korans und des<br />
Islams lag das Kalifat daher richtig; dennoch lag und liegt es falsch und<br />
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