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Hegel: Vorlesungen über die Beweise vom Dasein ... - Leo-dorner.net

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differenzlos unmittelbare, „als solche“ und nicht als andere angenommen<br />

und verstanden werden soll.<br />

Auch hier schwebt, nun bezüglich des Inhaltes, vor, das Wort Gottes<br />

könnte ein so eindeutiges sein, daß sich alles weitere Hinzutun erübrige;<br />

was man möchte, ist daher <strong>die</strong> Liqui<strong>die</strong>rung der eigenen Verantwortung,<br />

indes man listigerweise eine solche vorzuschieben und zu beanspruchen<br />

scheint, indem man <strong>vom</strong> Wort alle fremde Deutung, alles Hinzutun und<br />

Auslegen abzuhalten vorgibt, um dessen reinen und unmittelbaren Sinn zu<br />

erhalten und zu bewahren.<br />

In der Musik: man soll nur spielen „was in den Noten steht“; aber in den<br />

Noten als Noten stehen nur sie selber: genauer sind sie wohl der<br />

Buchstabe des Geistes, aber als Buchstabe nicht der Buchstabe des<br />

Geistes. Ohne Noten, Buchstaben hätten wir nicht <strong>die</strong> Kunde <strong>vom</strong> Geist,<br />

nicht <strong>die</strong> Inkorporation; aber der Körper ohne Geist ist Leichnam. Also:<br />

spiele, was in den Noten steht = spiele einen Leichnam als Leichnam.]<br />

X. - Es ist nämlich weiter zu bemerken, daß Unmittelbarkeit im Wissen,<br />

welche das Glauben ist, sogleich eine weitere Bestimmung hat; nämlich<br />

das Glauben weiß das, an was es glaubt, nicht nur <strong>über</strong>haupt, hat nicht<br />

nur eine Vorstellung oder Kenntnis davon, sondern weiß es gewiß. Die<br />

Gewißheit ist es, worin der Nerv des Glaubens liegt; dabei begeg<strong>net</strong> uns<br />

aber sogleich ein weiterer Unterschied: wir unterscheiden von der<br />

Gewißheit noch <strong>die</strong> Wahrheit. Wir wissen sehr wohl, daß vieles für gewiß<br />

gewußt worden ist und gewußt wird, was darum doch nicht wahr ist. Die<br />

Menschen haben lange genug es für gewiß gewußt, und Millionen wissen<br />

es noch für gewiß, um das triviale Beispiel anzuführen, daß <strong>die</strong> Sonne um<br />

<strong>die</strong> Erde läuft; noch mehr: <strong>die</strong> Ägypter haben geglaubt, sie haben es für<br />

gewiß gewußt, daß der Apis, <strong>die</strong> Griechen, daß der Jupiter usf. ein hoher<br />

oder der höchste Gott ist, wie <strong>die</strong> Inder noch gewiß wissen, daß <strong>die</strong> Kuh,<br />

andere Inder, Mongolen und viele Völker, daß ein Mensch, der Dalai-<br />

Lama, Gott ist.[57 Ich weiß nicht nur Etwas, sondern ich weiß es als<br />

meines; darin liegt <strong>die</strong> Gewißheit des Bewußtseins als Selbstbewußtseins<br />

seines Bewußtseins. Ohne <strong>die</strong> Gewißheit, es sei meines, ich mit ihm eins,<br />

obwohl zugleich von ihm unterschieden, sein Inhalt also mein Inhalt, ohne<br />

<strong>die</strong>se Gewißheit ist Glauben nicht als Glauben, weil nicht als Wissen<br />

möglich.<br />

Der Inhalt kann aber, so abstrakt betrachtet, ein beliebiger sein, und in<br />

der Tat wird wohl schon jeder auch göttlichen Rang, den Rang eines<br />

religiösen Gutes im menschlichen Bewußtsein erklommen haben. Damit<br />

stellt sich inmitten der Gewißheit <strong>die</strong> Frage nach deren Wahrheit, nicht<br />

unähnlich der Frage nach der Möglichkeit eines irrenden Gewissens.<br />

Daß für den Ägypter dessen Pharao des Gottes Sohn, ist ihm gewiß und<br />

wahr; Täuschung und Schein scheint ausgeschlossen. Nach bestem<br />

Wissen wußte, glaubte und handelte daher ein Bewußtsein, dem wir<br />

dennoch nach unserem heutigen bestem Wissen und Gewissen, folglich<br />

nachträglich, nicht aber „nachtragend“, weil wir es als ansprechbares und<br />

veränderbares Bewußtsein nicht mehr erreichen, da wir dessen<br />

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