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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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154 III · Die Handlungsfähigkeit der Demokratie<br />

schließen, wie Freiheitsgefährdung, Verletzung von Eigentumsrechten oder<br />

tyranneiträchtige Beschlüsse. Sie streben auch nach einer Ordnung der politischen<br />

Institutionen, die der Vernunft möglichst viel Spiel gibt. Und Vernunft<br />

erhofft man sich hierbei unter anderem von Meinungsfreiheit und freiem<br />

Spiel der politischen Kräfte.<br />

Die komplexe Demokratietheorie will die politische Beteiligung und<br />

Fragen des Regierens berücksichtigen. Ihre Binnenstrukturen sollen hinreichend<br />

komplex sein, um die vielschichtige Wirklichkeit vereinfachend, aber<br />

hinreichend wirklichkeitsgetreu zu erfassen. Die komplexe Demokratietheorie<br />

soll ferner <strong>für</strong> mehrere anerkennungswürdige Anliegen sensibel sein<br />

(<strong>Scharpf</strong> 1970: 66ff.). Zu diesen Anliegen gehören hauptsächlich das Postulat<br />

der politischen Beteiligung und das zu Grunde liegende Axiom des Eigenwerts<br />

individueller Selbstentfaltung und Selbstbestimmung, sodann die<br />

Mäßigung von Macht, der Minderheitenschutz, die institutionalisierte Suche<br />

nach Konsens, ferner Eintreten <strong>für</strong> »bessere Vertretung der Unterschichtinteressen<br />

in den Entscheidungsprozessen« (<strong>Scharpf</strong> 1970: 71) sowie schließlich<br />

Stabilisierung durch eine vitale demokratische politische Kultur.<br />

In der Demokratietheorie-Schrift von 1970 plädiert <strong>Scharpf</strong> <strong>für</strong> ein dosiertes<br />

Mehr an politischer Beteiligung und zugleich <strong>für</strong> intelligentere politisch-administrative<br />

Steuerung. Angestrebt wird eine Balance »zwischen<br />

Utopie und Anpassung«, so die Ortsbestimmung im Titel der Abhandlung.<br />

»Utopie« meint: Erweiterung der Beteiligung über den Ist-Zustand demokratischer<br />

Willensbildung und Entscheidungsfindung in den westlichen Ländern<br />

hinaus. »Anpassung« hingegen betont den Wirklichkeitsbezug der<br />

Theorie, verlangt ihre historisch-empirische Verankerung in der genauen Erkundung<br />

von Fortdauer und Wandel der Verfassungswirklichkeit demokratischer<br />

Systeme und drängt auf demokratietheoretische und demokratiepraktische<br />

Unternehmungen, die machbar sind und die Nebenfolgen minimieren.<br />

Im Unterschied zur beteiligungszentrierten Demokratietheorie, stuft die<br />

komplexe Demokratielehre das vorrangige Streben nach Ausbau der politischen<br />

Mitwirkungsgelegenheiten als unrealistisch ein. Das unbedingte Streben<br />

nach partizipatorischer Demokratie gründe auf Voraussetzungen wie<br />

kleine, überschaubare politische Gemeinwesen, geringe Anzahl politisch zu<br />

entscheidender Angelegenheiten und eine großes Zeitbudget der Bürger. In<br />

Wirklichkeit sei all dies nicht gegeben (<strong>Scharpf</strong> 1970: 63). Das entwerte<br />

nicht grundsätzlich das Anliegen, die politische Beteiligung in den westlichen<br />

Demokratien aufzuwerten. Diese Staaten vertrügen durchaus mehr<br />

Partizipation. Zudem könnte mehr politische Beteiligung die demokratischen<br />

Staatsverfassungen politisch-kulturell stabilisieren. Deshalb empfiehlt

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