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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Benz · Konstruktive Vetospieler in Mehrebenensystemen 215<br />

werden. In der Praxis ist dies zwar höchst selten und gerade in intergouvernementalen<br />

Beziehungen gelingt es Regierungen in der Regel, die Mehrheit<br />

der Abgeordneten ihrer Partei oder der sie stützenden Koalition <strong>für</strong> eine<br />

Entscheidung zu gewinnen. Aber Regierungshandeln im parlamentarischen<br />

System wäre nicht legitim, wenn es nicht die Möglichkeit eines Widerspruchs<br />

des Parlaments gäbe, und zwar selbst dann, wenn eine rechtlich<br />

bindende Stellungnahme nicht vorgesehen ist. Zur Legitimationsidee eines<br />

parlamentarischen Systems gehört die wirksame Kontrolle der Regierung<br />

durch das Parlament, weil nur sie sicherstellt, dass der Wille der Wählerschaft<br />

über das Parlament in Regierungshandeln transformiert wird. Widersprüche<br />

eines Parlaments, die sich gegen die Politik einer höheren Ebene<br />

richten oder gegen Ergebnisse intergouvernementaler Verhandlungen über<br />

Materien, die formal in die Zuständigkeit der Exekutive fallen (etwa des<br />

Bundesrats oder des Ministerrats in Angelegenheiten der eigenen Kompetenzen<br />

der EU), können eine Entscheidung nicht verhindern oder nachträglich<br />

rückgängig machen. Sie können aber eine Regierungskrise auslösen,<br />

und keine Regierung wird diese riskieren, um eine Sachentscheidung zu<br />

treffen. Die Möglichkeit eines parlamentarischen Vetos, im Sinne eines Widerspruchs<br />

gegen Regierungsentscheidungen, muss also als Legitimitätsgrund<br />

unterstellt werden. Diese Gründe sprechen da<strong>für</strong>, Parlamente als externe<br />

Vetospieler zu behandeln.<br />

Diese institutionelle Struktur zeichnet sich durch spezifische Dilemmata<br />

kollektiven Handelns aus. Regierungen unterliegen zunächst den typischen<br />

Schwierigkeiten eines Verhandlungsprozesses, welche <strong>Fritz</strong> W. <strong>Scharpf</strong> als<br />

Verhandlungsdilemma analysierte (<strong>Scharpf</strong> 1992, 1997). Selbst wenn alle<br />

Beteiligten ein Verhandlungsergebnis anstreben (und davon kann im Regelfall<br />

ausgegangen werden), so wird eine Einigung dadurch erschwert, dass<br />

alle Akteure gleichzeitig eine <strong>für</strong> ihre eigenen Interessen möglichst optimale<br />

Lösung erreichen wollen. Die daraus resultierenden Verteilungskonflikte<br />

stehen einer Verhandlungslösung auch dann entgegen, wenn gemeinsame<br />

Vorteile eigentlich <strong>für</strong> ein solches Ergebnis sprechen.<br />

Dieses Dilemma wird wesentlich verschärft, wenn Regierungen auf die<br />

Zustimmung ihres Parlaments angewiesen sind und von diesem kontrolliert<br />

werden. Zu den Regeln eines parlamentarischen Systems gehört zwar auch,<br />

dass die Parlamentsmehrheit ihre Regierung unterstützt. Aber diese Unterstützung<br />

ist nicht mit blinder Gefolgschaft gleichzusetzen, sondern verlangt<br />

ein wechselseitiges Vertrauensverhältnis und eine Abstimmung der Politik<br />

unter den kritischen Augen der Opposition. Dies beeinflusst die Handlungsorientierungen<br />

und das Verhalten der Regierung. Da Parlamente, und zwar

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