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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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168 III · Die Handlungsfähigkeit der Demokratie<br />

zunehmenden Denationalisierung – weltweit nicht auf dem Rückzug war,<br />

sondern auf dem Vormarsch. 17<br />

Doch zurück zu den Stärken der komplexen Demokratietheorie. Sie hat<br />

einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Beobachtung und Bewertung<br />

moderner Demokratien geliefert. Sechs Gütesiegel zeichnen die komplexe<br />

Demokratietheorie aus. Im Unterschied zum Hauptstrom der demokratietheoretischen<br />

Debatte zielt sie auf empirische und normative Theorie,<br />

also auf Beschreibung, Erklärung und normativ-analytisch untermauerte<br />

Bewertung von Ist-Zustand und Potenzial, nicht nur auf das eine oder das<br />

andere. Zweitens erörtert die komplexe Demokratietheorie den Input und<br />

den Output demokratischer Politik, also die Eingabeseite ebenso wie die<br />

Produkte des politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses. Drittens<br />

gründet <strong>Scharpf</strong>s demokratietheoretischer Beitrag auf dichter Beobachtung<br />

insbesondere demokratisch legitimierten Politikmachens. 18 Beobachtet<br />

wird dabei – viertens – durch die Linsen theoriegeleiteter Länder- und Fallstudien<br />

und durch die Brille des interkulturellen Vergleichs. Dieser Vergleich<br />

erstreckt sich vorrangig auf eine überschaubare Anzahl kulturell ähnlicher<br />

Länder. Zu Grunde liegt ein »most similar cases«-Forschungsdesign,<br />

das Fälle mit ähnlichen Basisstrukturen (wie Demokratie, Verfassungsstaat<br />

und wirtschaftlichem Reichtum) vergleicht, Effekte dieser Basisstrukturen<br />

somit konstant halten kann und deshalb in besonderem Maße Generalisierungen<br />

raum-zeitlich begrenzter Art über Grund-Folge-Beziehungen oberhalb<br />

der Basisstrukturen ermöglicht, so die Überlegung <strong>Scharpf</strong>s. 19 Fünftens<br />

ist die komplexe Demokratietheorie sensibel <strong>für</strong> Stärken und Schwächen der<br />

Demokratie. Besondere Aufmerksamkeit richtet sie auf Schwächen, die unbeabsichtigtes<br />

Resultat von »komplexer Interdependenz« (Keohane/Nye<br />

2000) der Nationalstaaten einerseits und des Bedeutungsaufschwungs transnationaler<br />

Politik vor allem in Gestalt der Europäischen Union sind.<br />

Die zu Grunde liegende Leitfrage, von der aus <strong>Scharpf</strong> die Demokratie<br />

beobachtet und bewertet, verdeutlicht zugleich, dass sein Anliegen, der<br />

sechste Qualitätsausweis, auf Theorie und auf Praxis gerichtet ist. Die Leit-<br />

17 Vgl. Freedom House (2001), die Jahresberichte von Freedom House von 1971 bis 2000<br />

und Schmidt (2000), insbes. 418ff., 467ff.<br />

18 Eine bemerkenswerte – und oft übersehene – Parallele zur »dichten Beschreibung« in der<br />

Kulturanthropologie (vgl. Geertz 1983), die <strong>Scharpf</strong> wiederholt lobend erwähnt.<br />

19 Vgl. hierzu die methodologischen Erwägungen in <strong>Scharpf</strong> (1987). Zum Risiko dieses Ansatzes<br />

zählt allerdings die nichtrepräsentative Stichprobenauswahl und die Unterbelichtung<br />

des Erkenntnisgewinns, den Kombinationen von »most-similar-cases«- und »mostdissimilar-cases«-Forschungsdesigns<br />

ermöglichen.

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