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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Lehmbruch · Verbändesystem zwischen Unitarismus und Föderalismus 269<br />

4 Die Organisation der Unternehmerschaft zwischen<br />

Unitarismus und Föderalismus<br />

Die Entwicklungsgeschichte des unternehmerischen Verbandswesens weist<br />

nicht wenige Parallelen zu korrespondierenden Entwicklungen im Agrarsektor<br />

auf. 8 Ähnlich wie bei der Landwirtschaft gibt es in Deutschland bekanntlich<br />

erhebliche Variationen der regionalen Industriestruktur. Neuerdings<br />

ist Gary Herrigel (1996) so weit gegangen, hier zwei sehr verschiedene,<br />

jeweils regional verankerte Formen des »industrial order« von einander<br />

abzusetzen. Das ist eine fruchtbare, wenngleich in mancher Hinsicht problematische<br />

Stilisierung, und wenngleich Herrigels Hypothesen über die politisch-institutionellen<br />

Implikationen jener regionalen Differenzierungen nicht<br />

durchweg überzeugen, geht er doch wichtigen Zusammenhängen nach. 9 Das<br />

»Raumbild der Industrialisierung« hat vielfältige Ursachen und war im industriellen<br />

Entwicklungsprozess starken Veränderungen unterworfen (Ritter/<br />

Tenfelde 1992: 68–77). Unter den zu Grunde liegenden Bedingungen ist jedenfalls<br />

auch die Industriepolitik (»Gewerbeförderung«) der Länderverwaltungen<br />

zu berücksichtigen. Bekanntlich hat es sie im 19. Jahrhundert schon<br />

vor der Nationalstaatsbildung gegeben, und zwar sowohl in Preußen (Mieck<br />

1965; Brose 1993) als auch in den süddeutschen Ländern. Sie beförderte –<br />

und das ist eine Parallele zur Entwicklung im Agrarsektor – die Ausbildung<br />

jener subnationalen Politiknetzwerke, deren neuerdings gestiegene Relevanz<br />

in der politikwissenschaftlichen Föderalismusforschung so viel Aufmerksamkeit<br />

gefunden hat. Eine umfassende nationale Industriepolitik, die sich<br />

mit der französischen »planification« oder der Politik des japanischen MITI<br />

in zurückliegenden Jahrzehnten vergleichen ließe, hat sich in Deutschland<br />

bekanntlich nicht entwickelt. Und dies nicht so sehr deshalb, weil dem ordnungspolitische<br />

Prinzipien entgegenstanden – denn in bestimmten Sektoren,<br />

beispielsweise der Atomenergienutzung, hat es ja eine sektorale Industrie-<br />

8 Diese Entwicklungen beabsichtige ich an anderer Stelle gesondert darzustellen; <strong>für</strong> einige<br />

Aspekte vgl. auch Lehmbruch (1999b).<br />

9 Der <strong>für</strong> unseren Zusammenhang wichtigste Einwand richtet sich gegen die von Herrigel<br />

konstruierte enge Korrespondenz zwischen dem jeweiligen »industrial order« und den verschiedenen<br />

institutionellen »mechanisms (that) were constructed to insure the stable reproduction<br />

of each form of order within each of the unified German regimes between<br />

1871 and 1945« (Herrigel 1996: 112, ähnlich 142). Das wird der Eigendynamik politischinstitutioneller<br />

Entwicklungspfade nicht gerecht und erinnert insofern in eigentümlicher<br />

Weise an spätmarxistische »Agenturtheorien«. Zudem wird der historische Forschungsstand<br />

(insbesondere zur Weimarer Verfassungskonstruktion) im Lichte dieser These allzu<br />

eigenwillig und selektiv rezipiert und interpretiert.

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