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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Lehmbruch · Verbändesystem zwischen Unitarismus und Föderalismus 265<br />

Hier greift nun eine zweite, aus der Theorie der Interorganisationsbeziehungen<br />

abgeleitete Hypothese ein: Zwischen Großorganisationen und Staat<br />

bilden sich variable Formen wechselseitiger Ressourcenabhängigkeit (im<br />

Sinne von Pfeffer/Salancik 1978) aus, die von der älteren Interessengruppenforschung<br />

nicht ausreichend erfasst wurden. Diese Theorie war bekanntlich<br />

von der Vorstellung geleitet, dass es zu spontanen Zusammenschlüssen<br />

kommt, wenn die Interessen einer größeren Gruppe von Individuen tangiert<br />

sind (vgl. z.B. Truman 1951: 31–33). Sie nahm des Weiteren an, dass so<br />

entstandene Verbände ihre Strukturen und Strategien der vorgefundenen<br />

Struktur staatlicher Entscheidungsprozesse anpassen, insoweit sie auf die<br />

Zufuhr von Ressourcen angewiesen sind, über die der Staat verfügt (vgl.<br />

Truman 1951: 104–106; Eckstein 1960: 15–21). In einem Bundesstaat – so<br />

wäre zu folgern – werden sie durch diese Ressourcenabhängigkeit dazu veranlasst,<br />

ihre Strukturen und Strategien an den jeweiligen bundesstaatlichen<br />

Kompetenzzuweisungen auszurichten. Diese einflusstheoretische Hypothese<br />

kann zwar in der Tat <strong>für</strong> bestimmte Entwicklungsabschnitte die Entstehung<br />

gesellschaftlicher Großorganisationen plausibel erklären. Man kann aber <strong>für</strong><br />

andere Entwicklungsabschnitte beobachten, dass die Großorganisationen<br />

unter bestimmten Umständen wesentliche Strukturelemente, womöglich gar<br />

ihre Existenz, staatlicher Intervention verdanken. 3<br />

In der Entwicklung des deutschen Verbändesystems gilt das vor allem <strong>für</strong><br />

zwei Phasen. Die erste ist die der modernisierenden Reformen des frühen<br />

19. Jahrhunderts. Ihr Träger war vor allem in Preußen eine Bürokratie, die<br />

liberalen wirtschaftspolitischen Prinzipien verpflichtet war. Aber sie verstand<br />

sich nichtsdestoweniger als eine Entwicklungsverwaltung mit der Mission,<br />

die Industrialisierung und die Modernisierung der Landwirtschaft zu fördern<br />

und die Infrastruktur des Landes (Kanäle, Eisenbahnen!) auszubauen. Dabei<br />

stand die Reformbürokratie zunächst vor dem Problem, dass die Umsetzung<br />

ihrer Reformprogramme eine handlungsfähige »bürgerliche Gesellschaft«<br />

(im Sinne Hegels) voraussetzte, die sich im absolutistischen Staat nicht<br />

hatte entfalten können. Eine Antwort darauf konnte die Organisation der<br />

Gesellschaft durch die Bürokratie sein: Die Verwaltung initiierte Verbandsgründungen,<br />

um Partner <strong>für</strong> die Implementation ihrer Programme zu gewinnen.<br />

4 Hier war die Staatsverwaltung auf die Mobilisierung von Ressourcen<br />

3 Ich knüpfe hier an frühere Überlegungen zur »administrativen Interessenvermittlung« an<br />

(Lehmbruch 1987, 1991; vgl. auch Lehmbruch 1995).<br />

4 Diese etatistischen Anfänge hat Lorenz von Stein (1869: 228) so beschrieben: »Der Verein<br />

ist, obwohl er sich seine Zwecke selber setzt, dennoch nur ein organisches Glied des

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