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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Schneider · Komplexität und Policy-Forschung 293<br />

2 Komplexität als Problem wissenschaftlicher<br />

Erklärungen<br />

Komplexe Zusammenhänge werfen spezifische Probleme <strong>für</strong> die wissenschaftliche<br />

Analyse auf – hierin sind sich Natur- und Sozialwissenschaftler<br />

weitgehend einig (Bunge 1998). Auf die spezifischen Schwierigkeiten, die<br />

mit der Erklärung komplexer Phänomene verbunden sind, ist von Friedrich<br />

von Hayek (1972) einmal in einem vielbeachteten Text hingewiesen worden.<br />

Das Komplexitätsproblem sei vor allem in der Existenz von Strukturen<br />

begründet, die als Ganzheiten Regelmäßigkeiten gehorchen, die sich nicht<br />

völlig auf die Regelmäßigkeiten der Teile zurückführen ließen, weil diese<br />

auch von der Interaktion des Ganzen mit der Umwelt abhingen. Für eine<br />

Wissenschaftstheorie, die ihr Ziel in der Entdeckung »universaler Naturgesetze«<br />

sehe, schaffe dies besondere Probleme. Obwohl die Annahme vernünftig<br />

sei, dass Strukturen dieser Art in einer genau umgrenzbaren Umwelt<br />

sich immer in gleicher Weise verhalten, so könne doch das Bestehen solcher<br />

Strukturen tatsächlich nicht nur von dieser Umwelt abhängig sein, sondern<br />

auch von einer bestimmten Abfolge solcher Umwelten in der Vergangenheit,<br />

die in dieser Ordnung nur einmal in der Geschichte des Universums<br />

aufgetreten sei. Disziplinen, die sich mit derart komplexen Strukturen beschäftigten,<br />

besäßen daher ein Erfahrungsobjekt, dessen eigentliche Existenz<br />

Umständen zugeschrieben werden müssten, die, obwohl grundsätzlich<br />

wiederholbar, in Wirklichkeit einmalig wären und sich niemals wiederholten.<br />

Gesetze oder »Regeln«, die das Verhalten derartiger Komplexe bestimmten,<br />

wären daher, obwohl »im Prinzip universal gültig«, letztlich aber<br />

nur auf Strukturen anwendbar, die in einem begrenzten Raum-Zeit-Gebiet<br />

auftreten. Dennoch sei die Herausbildung solcher Strukturen kein historisches,<br />

sondern ein theoretisches Problem, weil es um Faktoren in einer Reihenfolge<br />

von Ereignissen gehe, die im Prinzip wiederholbar seien, obwohl<br />

sie tatsächlich nur einmal aufgetreten sein mögen.<br />

Die beiden von Hayek (1972) angesprochenen Schwierigkeiten beziehen<br />

sich letztlich auf distinkte Aspekte komplexer Erscheinungen. Dies ist zum<br />

einen die Ganzheitsproblematik und die damit verbundene Emergenz, auf<br />

der anderen Seite das Problem der Kontingenz. Die erstgenannte bezieht<br />

sich auf die grundlegende Frage, wie zusammengesetzte, organisierte integrierte<br />

Ganzheiten mehr als die Summe ihrer Teile darstellen und spezifische<br />

Synergien oder neue Qualitäten entwickeln können. Das Problem der Kontingenz<br />

liegt im riesigen Möglichkeitsraum von Zuständen und Entwicklun-

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