07.01.2013 Aufrufe

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Wiesenthal · Beyond Incrementalism 63<br />

group commitments« (Heclo 1974: 308) spricht, und schließlich<br />

c. Persönlichkeitseigenschaften, die am Beispiel von Lloyd George und<br />

Winston Churchill als »more aggressive and opportunistic« (Ashford<br />

1986: 63) beschrieben werden.<br />

Im Vergleich zu diesen Gemeinsamkeiten würde eine Liste der Spezifika<br />

der erfolgreichen Innovationsfälle wesentlich umfangreicher ausfallen. Jede<br />

hinreichend präzise Fallbeschreibung umfasst eine Serie von vielfältig bedingten<br />

Konflikt- und Entscheidungskonstellationen, die in der Regel mehrere<br />

mögliche Ausgänge aufwiesen, ohne jedoch im Sinne vorbestimmter<br />

Konsequenzen »überdeterminiert« zu sein. Die Menge der potenziell beteiligten<br />

und vom wohlinformierten Akteur probabilistisch zu kalkulierenden<br />

Einflussvariablen dürfte im Bereich dreistelliger Zahlen anzusiedeln sein.<br />

Welche von ihnen jeweils tatsächlich mit ganz bestimmten Ausprägungen<br />

signifikanten Einfluss ausübten, ist auch ex post nur tentativ zu ermitteln.<br />

Es ist diese Komplexität der realen Politikprozesse, die das Schisma zwischen<br />

prägnanten Modellen und empirischen Analysen begründet. Auf der<br />

einen Seite liefern die auf wenige Variablen und typisierte Prämissen reduzierten<br />

Modelle markante Aussagen über irreale Sachverhalte, wie sie auch<br />

dem Unmöglichkeitstheorem holistischer Reformen zu Grunde liegen. Auf<br />

der anderen Seite operieren die realen politischen Akteure unter Bedingungen<br />

genuiner Unsicherheit in einem dynamischen und komplex bedingten<br />

Handlungsraum mit diffusen Kausalitäten und auf der Suche nach »günstigen«<br />

Gelegenheiten. Ihre Policyprojekte stellen zweckrationale Pläne <strong>für</strong><br />

Experimente mit der sozialen Wirklichkeit dar. 21 Unter dieser Perspektive<br />

ist der Versuch einer Dechiffrierung der empirischen Komplexität aufzugeben<br />

zu Gunsten eines Blicks auf die Möglichkeiten des Akteurs, mit Unsicherheit<br />

und Entscheidungskomplexität umzugehen. Hierbei erweist sich<br />

wieder die Unterscheidung von drei Ebenen der soziologischen Analyse als<br />

heuristisch fruchtbar.<br />

Die auf der Mikroebene des individuellen Handelns vermuteten Grenzen<br />

individueller Informations- und Entscheidungsrationalität waren auch in den<br />

erfolgreichen Fällen sozialpolitischer Innovation präsent. Die Initiatoren<br />

und Promotoren des Reformprojekts zeigten sich ihnen jedoch gewachsen.<br />

Sie verstanden es, der Versuchung zur Formulierung maximaler Ziele zu<br />

widerstehen und den Innovationsgrad ihres Projektes im Einklang mit seinen<br />

Realisierungsbedingungen zu halten. Das geschah zum Beispiel durch<br />

21 Vgl. Ostrom (1999b: 519) zum Charakter von »policies as experiments«.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!