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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Lehmbruch · Verbändesystem zwischen Unitarismus und Föderalismus 277<br />

Arbeitgeberverbände trat die zentralisierte Deutsche Arbeitsfront (DAF).<br />

Das Schlichtungssystem der Weimarer Republik aber wurde in ein System<br />

der autoritären Lohnfestsetzung übergeleitet. An die Stelle der bisherigen<br />

Schlichtungsausschüsse traten die »Reichstreuhänder der Arbeit«, die Tarifverträge<br />

wurden durch »Tarifordnungen ersetzt. Die in der Vergangenheit<br />

sichtbar gewordenen zentralisierenden Tendenz verstärkten sich nun deutlich<br />

(zum folgenden vgl. Kranig 1983: 182–189). Betriebliche Tarifregelungen<br />

wurden gänzlich beseitigt, Ortstarife stark zurückgedrängt. 17 1941 betrug<br />

der Anteil der Reichstarifordnungen an der Gesamtzahl der Tarifordnungen<br />

13 Prozent, was – gemessen an der früheren Praxis – relativ hoch war. 18<br />

»Diese Entwicklung entsprach den Bedürfnissen des Arbeitseinsatzes, dessen<br />

Aufgabe durch regional unterschiedliche Arbeitsbedingungen und die<br />

damit ausgelöste Fluktuation von Arbeitskräften behindert wurde« (Kranig<br />

1983: 184). Die Lohnpolitik des NS-Regimes war vor allem vom Bestreben<br />

nach größtmöglicher Lohnstabilität als einer Bedingung <strong>für</strong> effektive Wirtschaftslenkung<br />

geleitet, und deshalb wurde längerfristig der Erlass einer<br />

einheitlichen »Reichslohnordnung« anvisiert, die auch die betrieblichen Sozialleistungen<br />

einbeziehen sollte. Ein einheitliches Ortsklassenverzeichnis<br />

sollte die regionalen Differenzierungen planmäßig erfassen. Dieses ehrgeizige<br />

Vorhaben erwies sich als überaus schwierig, doch während des Krieges<br />

wurden einheitliche Reichstarifordnungen <strong>für</strong> zwei der wichtigsten Branchen,<br />

die Metallindustrie und das Baugewerbe eingeführt. Am weitesten<br />

ging die Zentralisierung indes im öffentlichen Dienst, mit der »Allgemeinen<br />

Tarifordnung <strong>für</strong> Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst« (RABl.<br />

1938 VI, 471) und den ergänzenden Tarifordnungen A (<strong>für</strong> Angestellte) und<br />

B (<strong>für</strong> Arbeiter).<br />

Es ist bemerkenswert, dass im deutschen Widerstand Konservative ebenso<br />

wie manche Gewerkschaftler von der Ordnungsfunktion dieses straff zentralisierten<br />

Systems beeindruckt waren. Karl Goerdeler und Wilhelm Leusch-<br />

17 Die effektive Zentralisierungswirkung der Tarifordnungen war begrenzt, insbesondere<br />

deshalb, weil sie lange Zeit nur Mindestlöhne festlegten, die von den Unternehmen vielfach<br />

überboten wurden (Siegel 1982). Das ist <strong>für</strong> unseren Zusammenhang allerdings nicht<br />

von entscheidender Bedeutung, weil es die Nachwirkung der institutionellen Arrangements<br />

nicht tangierte.<br />

18 Die vergleichbaren Anteile der Reichstarifverträge an der Gesamtzahl der Tarifverträge<br />

waren zwischen 1913 und 1925 von 0,1 auf 1,1 Prozent gestiegen (Ullmann 1977: 101,<br />

231). Die oben im Text angeführten Daten zeigen, dass der – aussagekräftigere – Anteil<br />

der von Reichstarifverträgen erfassten Arbeiter proportional wesentlich höher lag; <strong>für</strong> die<br />

NS-Reichstarifordnungen habe ich keine vergleichbaren Daten gefunden.

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