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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Lehmbruch · Verbändesystem zwischen Unitarismus und Föderalismus 275<br />

tungen <strong>für</strong> die Arbeit in der Rüstungsindustrie zu erkaufen (Feldman 1966:<br />

197–249). Das »Vaterländische Hilfsdienstgesetz« von 1916 war zugleich<br />

der entscheidende Schritt zur Institutionalisierung der Arbeitsbeziehungen.<br />

15 Und die Existenz von zentralisierten Verbänden der Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmer erwies sich nun als eine wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> die Entwicklung<br />

eines Netzwerkes der Arbeitsbeziehungen, das einen eindeutig<br />

zentralstaatlichen Fokus hatte. Es ermöglichte bei Kriegsende das »Stinnes-<br />

Legien-Abkommen« (15. November 1918) über die Errichtung der Zentralarbeitsgemeinschaft<br />

der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmer Deutschlands (ZAG), das sich die kooperative Bewältigung<br />

der arbeitspolitischen Probleme der Nachkriegszeit zum Ziel gesetzt hatte<br />

(Feldman/Steinisch 1985) und damit die Nationalisierung der Arbeitsbeziehungen<br />

einen bedeutenden weiteren Schritt vorantrieb. Dazu gehörte insbesondere<br />

die endgültige Anerkennung der Gewerkschaften und des Tarifsystems<br />

auch in der – bisher widerstrebenden – Großindustrie und ein gemeinsames,<br />

freiwilliges Verfahren zur Beilegung von Tarifstreitigkeiten. Diese<br />

Regelungen wurden dann noch Ende 1918 auch in eine Verordnung des<br />

Rates der Volksbeauftragten übernommen und damit geltendes staatliches<br />

Recht. Die ZAG entsprang indes nicht zuletzt dem Misstrauen ihrer Initiatoren<br />

in die Fähigkeit des neu entstehenden parlamentarischen Systems zur<br />

Krisenbewältigung (Feldman 1981: 171). Mit dieser korporatistischen Strategie<br />

erwiesen sich die Verbände aber bald als überfordert (Feldman/Steinisch<br />

1985: 133; Bähr 1989: 15–21). Zu den kontroversen Neuerungen, die<br />

1918 beschlossen worden waren, gehörte insbesondere die einheitliche Arbeitszeitregelung<br />

<strong>für</strong> das gesamte Deutsche Reich in der Form des Achtstundentages.<br />

Die Fähigkeit der ZAG zur Konsensbildung erwies sich als<br />

begrenzt, und in der Konsolidierungskrise von 1924 brach sie auseinander.<br />

Angesichts der hier zu Tage tretenden Schwäche der Aushandlungssysteme<br />

gewann das System der staatlichen Schlichtung an Bedeutung, das an<br />

die Schlichtungsausschüsse des Hilfsdienstgesetzes anknüpfte und seit 1918<br />

allmählich weiter ausgebaut wurde. Die (gegebenenfalls Zwangs-) Schlichtung<br />

auf der Grundlage der Schlichtungsverordnung vom 13. Oktober 1923<br />

(Bähr 1989: 72–83), an sich als ultima ratio <strong>für</strong> anders nicht lösbare Tarif-<br />

15 Eine wichtige Innovation des Hilfsdienstgesetzes war insbesondere die Einführung von<br />

Arbeiterausschüssen, die Lohnforderungen stellen und gegebenenfalls paritätisch besetzte<br />

Schlichtungsausschüsse anrufen konnten. Während jene als Vorläufer der Betriebsräte<br />

gelten können, entwickelte sich aus diesen das Schlichtungswesen der Weimarer Republik,<br />

von dem weiter unten noch die Rede sein wird.

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