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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Benz · Konstruktive Vetospieler in Mehrebenensystemen 233<br />

bedingungen, die Strategiewahlen der Akteure beeinflussen, zutreffend erfassen<br />

zu können, benötigen wir Fallstudien zu politischen Prozessen, welche<br />

nach den methodologischen Prämissen und Verfahren der »interaction-oriented<br />

policy research« (<strong>Scharpf</strong> 1997: 11) durchgeführt werden. In diesem Forschungsansatz<br />

gelten die Strategien, das heißt die Muster an Handlungen,<br />

die Akteure auf Grund praktischer Erfahrungen ausgebildet haben und die<br />

sie vor dem Hintergrund spezifischer Bedingungen wählen, als das vermittelnde<br />

Element zwischen den institutionellen Bedingungen und den Ergebnissen<br />

von Politik (<strong>Scharpf</strong> 1987: 28).<br />

Damit wird weder die Vetospieler-Theorie von George Tsebelis entwertet<br />

noch die quantitative Methode der komparativen Politikforschung als irrelevant<br />

abgetan. Tsebelis’ Theorie überzeugt einerseits durch die Sparsamkeit<br />

der Erklärung, zum anderen ist die Relevanz von Vetopositionen ja<br />

nicht zu bestreiten. Im Übrigen ist die Theorie <strong>für</strong> die quantitative Politikforschung<br />

entwickelt worden, und sie hat sich hierbei bewährt. Aber wenn<br />

die Ergebnisse von politischen Prozessen in einzelnen politischen Systemen<br />

erklärt werden sollen oder wenn man die Funktionsweise spezifischer Mehrebenenstrukturen<br />

verstehen will, so reicht die Reduktion der Analyse auf<br />

wenige institutionelle Faktoren nicht aus. Der strategische Umgang mit Institutionen,<br />

welcher in einer aggregierten komparativen Untersuchung vernachlässigt<br />

werden kann, wird hier relevant. Erforderlich ist dann ein Theorie-<br />

und Methodenwechsel.<br />

Quantitative Forschung und Policy-Forschung sollten deswegen nicht als<br />

sich wechselseitig ausschließende, sondern als sich ergänzende, auf jeweils<br />

bestimmte Fragestellungen zugeschnittene Untersuchungsverfahren behandelt<br />

werden. Die Erforschung der Funktionsweise von Mehrebenensystemen<br />

kann von quantitativen Studien profitieren, und zwar besonders dann, wenn<br />

sie die Fälle aufgreift, die sich in den quantitativen Untersuchungen der Hypothesen,<br />

wie sie die Vetospieler-Theorie bietet, als »abweichende« Fälle<br />

herausstellen. In diesen sollte sich die Bedeutung der Strategien besonders<br />

gut ermitteln lassen, da hier die Wirkung von Institutionen relativ stark<br />

durch Akteurhandeln und Interaktionen »gebrochen« wird. Hier dürften<br />

auch Lernprozesse, in denen Akteure auf nachteilige Folgen von Institutionen<br />

reagieren, stärker ausgeprägt sein und können daher leichter durch Politikanalysen<br />

nachvollzogen werden.<br />

Die Politikverflechtungstheorie, welche auf den »Sonderfall« des deutschen<br />

Bundesstaats mit seiner eigentümlichen Verbindung von Konkurrenzdemokratie<br />

und Konkordanzföderalismus zugeschnitten ist, hat so gesehen beträchtliche<br />

Relevanz auch <strong>für</strong> die komparative Forschung (vgl. auch Painter 1991).

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