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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Lehmbruch · Verbändesystem zwischen Unitarismus und Föderalismus 279<br />

6 Die Entwicklung einer koordinierten Tarifpolitik<br />

und die Unitarisierung<br />

Als Fazit der Forschung lässt sich somit festhalten, dass – ganz ähnlich wie<br />

bei den Agrarverbänden – die extreme Zentralisierung der Organisationsstrukturen<br />

wieder reduziert wurde, die das NS-Regime hinterlassen hatte,<br />

ohne dass jene eigentümlichen Fragmentierungsmomente wieder auflebten,<br />

die sich bis in die Schlussjahre der Weimarer Republik noch behauptet hatten.<br />

Weniger Aufmerksamkeit finden im Allgemeinen die Kontinuitätseffekte<br />

jener »policy legacies«, die ihren Niederschlag in den Regelwerken<br />

der Arbeitsbeziehungen gefunden haben. Während die Besatzungsmächte<br />

den Wiederaufbau der Organisationen von unten her proklamierten, blieben<br />

nämlich die Tarifordnungen der NS-Zeit in Westdeutschland nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg zunächst weiter in Geltung, bis sie von frei ausgehandelten<br />

Tarifverträgen abgelöst wurden, und diese Tarifverträge orientierten sich<br />

nun an dem Geltungsbereich der bisherigen Tarifordnungen (Schmidt 1971:<br />

170–171). Der Flächentarifvertrag steht somit in einer bemerkenswerten<br />

Kontinuität, und die Tendenz zur Zentralisierung auch der Arbeitsbeziehungen<br />

setzte sich fort. 22 Und zudem entwickelten sich, wie schon oben erwähnt,<br />

informelle Formen der Koordinierung, die ein hohes Maß an Gleichförmigkeit<br />

der Tarifbewegungen innerhalb des Bundesgebiets bewirkten<br />

und im Rahmen eines wiederbelebten Systems freier Tarifverhandlungen<br />

die »policy legacy« einer stark unitarisierten Tarifpolitik mit den nun – im<br />

Vergleich zum NS-System – wieder stärker dezentralisierten Organisationsstrukturen<br />

zur Deckung brachten.<br />

Von besonderem Interesse ist hier natürlich die Metallindustrie, denn<br />

hier haben sich immer wieder besonders ausgeprägte Koordinierungsprobleme<br />

ergeben, weil sich hier eine sowohl nach Branchenstruktur wie regional<br />

höchst heterogene Menge von Unternehmen mit einer starken Gewerkschaft<br />

konfrontiert sieht. Das war nicht von Anfang an so (Pirker 1960; Bergmann/<br />

Jacobi/Müller-Jentsch 1975: 186; Markovits 1986: 183–195): Die Tarifpolitik<br />

der IG Metall war in der ersten Phase (1951–55) noch schwach koordiniert.<br />

Aber eine Reihe von Streikniederlagen in den fünfziger Jahren veranlassten<br />

die Gewerkschaftszentrale dazu, die regionalen Tarifverhandlungen<br />

22 Der Anteil der nur in einem Bundesland oder Landesteil gültigen Tarifverträge »sank<br />

langfristig von 80 Prozent in den Fünfzigerjahren auf 70 Prozent am Ende der siebziger<br />

Jahre« (Armingeon 1988: 118–122).

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