07.01.2013 Aufrufe

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Benz · Konstruktive Vetospieler in Mehrebenensystemen 211<br />

fen (<strong>Scharpf</strong>/Reissert/Schnabel 1976: 13–70; <strong>Scharpf</strong> 1978). Sie ging aus<br />

der Analyse der hier interessierenden institutionellen Konstellation hervor.<br />

Die Theorie hat Mehrebenenstrukturen zu ihrem Gegenstand, in denen Entscheidungen<br />

auf Verhandlungssysteme verlagert werden, die von Regierungen<br />

und Verwaltungen dominiert werden, was sich in dauernden Klagen der<br />

Parlamente über ihren Machtverlust zeigt. Ferner wird in der Theorie festgestellt,<br />

dass Entscheidungen, die sachlich geboten sind, nicht realisiert werden<br />

könnten. Und zugleich könnten die institutionellen Bedingungen nicht<br />

geändert werden, obwohl die Beteiligten sie als defizitär erkennen, weil Alternativen<br />

von Vetospielern blockiert werden (<strong>Scharpf</strong> 1985). Die problematischen<br />

Folgen von Vetopositionen werden hier also viel präziser identifiziert<br />

als in der vermeintlich wertfreien Vetospieler-Theorie.<br />

Die Politikverflechtungstheorie, wie sie <strong>Scharpf</strong> 1976 formulierte, beruht<br />

auf einem differenzierten Analysekonzept, das normative und empirischanalytische<br />

Ebenen der Untersuchung trennte. Diese Differenzierung der<br />

Analyse geht allerdings auf Kosten der Generalisierbarkeit. Die <strong>für</strong> die Gemeinschaftsaufgaben<br />

nach Art. 91a GG entwickelte Theorie lässt sich nicht<br />

ohne weiteres auf andere Mehrebenenstrukturen übertragen. <strong>Scharpf</strong> hat den<br />

Generalisierungsgrad der Theorie in den siebziger und achtziger Jahren erweitert,<br />

zum einen, indem er sie zu einer allgemeinen Theorie des deutschen<br />

Bundesstaats machte, zum anderen, indem er sie auf die Europäische Union<br />

übertrug (<strong>Scharpf</strong> 1994, 1999). Trotz dieser Erweiterungen des Anwendungsbereichs<br />

blieb sie jedoch, verglichen mit Tsebelis’ Theorie, eine spezielle<br />

Theorie mit begrenzter Reichweite.<br />

Was allerdings die Politikverflechtungstheorie gegenüber der Vetospieler-Theorie<br />

auszeichnet, ist die Tatsache, dass sie strategische Reaktionen<br />

von Akteuren auf drohende Vetos oder Blockaden berücksichtigt. In diesem<br />

Punkt wurde sie vielfach falsch interpretiert. Anders als in populärwissenschaftlichen<br />

Anwendungen der Argumentation hat <strong>Scharpf</strong> nie behauptet,<br />

der deutsche Verbundföderalismus erzeuge Blockaden von Politik. Die Rede<br />

war nur von Blockadegefahren beziehungsweise einer Beeinträchtigung<br />

der politischen Steuerungsfähigkeit. Der »Clou« der Analyse lag darin, dass<br />

<strong>Scharpf</strong> zeigte, wie die Akteure in Bund und Ländern auf die Schwierigkeiten<br />

der Konsensfindung in Verhandlungssystemen reagieren und wie sie<br />

sich der Gefahr blockierter Entscheidungsprozesse entziehen können.<br />

Ich will im Folgenden diesen Gedanken aufgreifen und ihn weiter entwickeln,<br />

indem ich ihn in die Vetospieler-Theorie integriere. Meine grundlegende<br />

These lautet, dass die auf einer Vetoposition beruhende Macht, Entscheidungen<br />

zu verhindern, in der Regel nicht ausgeübt wird, um politische

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!