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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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264 IV · Föderalismus und Unitarismus<br />

2 Die Entwicklungspfade des Bundesstaates und der<br />

organisierten Gesellschaft<br />

Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang das unterschiedliche<br />

Ausmaß an Unitarisierung oder Föderalisierung deutscher Großorganisationen<br />

– gemessen an der Autonomie der subnationalen Organisationseinheiten<br />

und der Flexibilität der Gesamtorganisation im Management von innerverbandlicher<br />

Heterogenität. Diese Variationen interpretiere ich als institutionell<br />

verfestigtes Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungspfade, die bestimmt<br />

sind durch Art und Ausmaß der wechselseitigen Ressourcenabhängigkeit<br />

zwischen dem Staat und den Großorganisationen im Verlauf der Entwicklung<br />

des deutschen Bundesstaates. Ich verbinde dabei eine schon früher vorgestellte<br />

entwicklungsgeschichtliche Hypothese über das Zustandekommen<br />

der eigentümlichen, pfadabhängigen Struktur des deutschen Bundesstaates<br />

(Lehmbruch 2002) mit einer weiteren entwicklungsgeschichtlichen Hypothese<br />

über die Auswirkungen von Ressourcenabhängigkeit zwischen Staat<br />

und Verbänden auf die Struktur von Verbänden und Verbändesystemen.<br />

Renate Mayntz ist der Hinweis zu verdanken, dass die in Deutschland zu<br />

beobachtende Parallelität von Verbändestruktur und föderalistischem Staatsaufbau<br />

offensichtlich »nicht das Ergebnis einer zentralen ›top down‹ Anpassung«<br />

ist, sondern sich »aus besonderen historischen Gründen als Resultat<br />

eines dezentralen ›bottom up‹ Entwicklungsprozesses ergeben« hat (Mayntz<br />

1990: 145–146). Dies ist aber ein Zusammenhang, der sich nicht erst auf die<br />

Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg oder vielleicht auch auf die<br />

Weimarer Republik zurückführen lässt (so offenbar Mayntz 1990: 149). Wir<br />

müssen vielmehr, wenn wir die beobachteten Variationen erklären wollen,<br />

auf die Entstehungsgeschichte des deutschen Bundesstaates im 19. Jahrhundert<br />

rekurrieren. Dieser hat, wie schon gezeigt wurde, mehrere Entwicklungssequenzen<br />

durchlaufen, deren jede eigentümliche institutionelle Sedimente<br />

hinterlassen hat. Weil sich der bürokratische Verwaltungsstaat in Deutschland<br />

auf der subnationalen Ebene der Territorien schon lange vor dem Nationalstaat<br />

entwickelt hatte, hatten um die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die<br />

»nationale Frage« noch offen war, sowohl Preußen als auch die Mittelstaaten<br />

voll ausgebildete und verhältnismäßig effiziente bürokratische Verwaltungen.<br />

Dieser »time lag« hatte aber bemerkenswerte Implikationen nicht<br />

nur <strong>für</strong> die Struktur des 1867–1871 entstehenden deutschen Bundesstaates<br />

(in Form des »funktionalen« oder »Exekutivföderalismus«), sondern auch<br />

<strong>für</strong> die eigentümliche Ausbildung der Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft.

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