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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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156 III · Die Handlungsfähigkeit der Demokratie<br />

Wo und unter welchen Bedingungen sind solche ehrgeizigen Ziele am<br />

ehesten zu erreichen? Wer dem Hauptstrom der internationalen Demokratiediskussion<br />

bis Ende der sechziger Jahre folgte, neigte dazu, die beste aller<br />

Demokratiewelten in den angloamerikanischen Staaten zu sehen. Doch das<br />

überzeugt die komplexe Demokratietheorie weder damals noch heute – zumal<br />

ihr Autor schon von der Lehre einer funktionstüchtigen nichtmajoritären<br />

Demokratieform, der »Proporzdemokratie« (Lehmbruch 1967), beeinflusst<br />

war. Schon in ihrer Fassung von 1970 zeigt die komplexe Demokratietheorie<br />

auf Kritikbedürftiges der Mehrheitsdemokratie britischer Art. 6<br />

Später wird die Kritik schärfer (<strong>Scharpf</strong> 1993a). Unter Umständen könne ein<br />

Zweiparteiensystem nach Westminster-Modell höhere Entscheidungsfähigkeit<br />

und größere Wertberücksichtigung zu Stande bringen. Doch da<strong>für</strong> gäbe<br />

es keine Garantie. Überdies müssten die strukturellen Defekte der Mehrheitsdemokratie<br />

in Rechnung gestellt werden, die schon älteren Demokratietheorien<br />

aufgestoßen waren: hohe Zentralisierung, Anfälligkeit <strong>für</strong> überhastete<br />

und destabilisierende Kurswechsel, Übersteuerung oder Untersteuerung und<br />

– nicht zuletzt – die Neigung, Minderheiten zu majorisieren.<br />

Das Streben nach höherem »Wertberücksichtigungspotenzial« und höherer<br />

»Entscheidungsfähigkeit« stößt allerdings auch in Staaten an harte Grenzen,<br />

in denen »checks« und »balances« wirken, wie in den USA, oder in denen<br />

Aushandeln und Mehrheitsprinzip koexistieren, wie in der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Häufig sind die Hindernisse schier unüberwindbar. Das ist<br />

mittlerweile gut bekannt – nicht zuletzt auf Grund einschlägiger Untersuchungen,<br />

die <strong>Scharpf</strong> zu den Grenzen politischer Planung und den Schranken<br />

koordinierter Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik durchführte (<strong>Scharpf</strong><br />

1973a, 1987, 1993a, 1999b). Das Streben nach größerer Wertberücksichtigung<br />

und Entscheidungsfähigkeit stößt gegen harte Schranken anspruchsvoller<br />

politischer Beteiligung und an ökonomische und politische Barrieren<br />

aktiver Politik. Die Barrieren reichen von informationellen Begrenzungen<br />

über finanzpolitische Hindernisse in Staaten mit bundesstaatlich fragmentierter<br />

Staatsorganisation bis zu verfassungsrechtlichen und politisch-institutionellen<br />

Handlungsgrenzen der Regierung und der sie stützenden Parlamentsmehrheit,<br />

wie Zustimmungspflichtigkeit vieler Gesetze im Bundesrat<br />

oder Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat bei verfassungsändernder<br />

Gesetzgebung (Mayntz/<strong>Scharpf</strong> 1973; <strong>Scharpf</strong> 1987, 1997b;<br />

Lehmbruch 2000). Nicht zuletzt ist die Bundesrepublik Deutschland das<br />

6 <strong>Scharpf</strong> (1970: 75ff.); vgl. – im Gewande einer Erörterung von Leistung und Grenzen pluralistischer<br />

Entscheidungsstrukturen insbesondere in den USA – (ebd.: 29–53).

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