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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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254 IV · Föderalismus und Unitarismus<br />

oder Kanada. Niemand aber glaubt noch, dass eine endgültige Lösung gefunden<br />

wurde, die künftig nur noch »Konfliktmanagement« erforderlich macht.<br />

In der Zeit der Planungseuphorie wurde im Föderalismus häufig eine<br />

Bremse <strong>für</strong> den Fortschritt gesehen, vor allem wegen seiner Resistenz gegenüber<br />

dem Ausbau der Sozialstaatlichkeit, wie an der Schweiz und den<br />

USA demonstriert werden konnte. Deutschland hat dieses Vorurteil falsifiziert<br />

– allerdings um den Preis, dass sein exekutiver Kooperationsföderalismus<br />

schon wieder in das Verdikt eines »nicht ganz echten Föderalismus«<br />

geriet, den es schon bei den Altinstitutionalisten wie Kenneth Wheare aus<br />

Gründen seiner atypischen Bundesratskonstruktion gehabt hatte. Diese wird<br />

inzwischen auch im internationalen Vergleich als gar keine schlechte Idee<br />

gewertet, da sie eine Balance zwischen Länderegoismus und gesamtstaatlicher<br />

Effizienz der Willensbildung im Ganzen leistet.<br />

Als antiinnovativ kann der Föderalismus schon deshalb nicht gelten, weil<br />

er häufig ermöglichte, dass Gliedstaaten Vorreiter von innovativen Gesetzen<br />

wurden, die später vom Bund übernommen werden. Hawai’s Health Care-<br />

System in den USA, das 1974 in den »Prepaid Health Care Act« mündete,<br />

oder Saskatchewans »welfare system« war einflussreich <strong>für</strong> die Medicare-<br />

Regelung 1971 (Burgess/Gress 1999: 188). Häufiger als diese Fälle der Innovation<br />

waren jedoch die Möglichkeiten der Gliedeinheiten, hinter dem Innovationsgrad<br />

einer gesamtstaatlichen Regelung zurückzubleiben, und sei es<br />

nur durch Obstruktion auf der Implementationsebene. In der Regel wird jedoch<br />

in der Literatur nicht mehr Rikers (1964: 145, 153) Verdacht geteilt,<br />

dass die Entscheidungskosten in Bundesstaaten den kollektiven Nutzen übersteigen<br />

und dass der Föderalismus einen Bonus auf die »Tyrannei der Minderheit«<br />

setzt. Dennoch blieb es ein historisches Verdienst Rikers darüber<br />

nachgedacht zu haben, wer jeweils der größte Nutznießer einer Föderation<br />

ist. Zu seiner Zeit schienen das die Weißen der Südstaaten in den USA,<br />

Québec in Kanada, die »landlords« der landwirtschaftlich unterentwickelten<br />

Gebiete in Indien, und in Deutschland der nicht-preußische Südwesten zu<br />

sein. Selbst in Australien, wo kein einzelner Nutznießer festgestellt wurde,<br />

schienen die Handelsinteressen am meisten zu profitieren, weil sie durch föderale<br />

Vetogruppenpolitik zentralen Regulierungen weitgehend ausweichen<br />

konnten. Die vergleichende Systemforschung zeigt freilich, dass die Kapitalinteressen<br />

da<strong>für</strong> den Föderalismus nicht brauchen, ja dass er ihnen in der<br />

Kleinteiligkeit der Regulierungen eher lästig ist. Mitra (2000: 51), ein Schüler<br />

Rikers, hat <strong>für</strong> Indien zeigen können, wie sich die Interessen auch verlagern<br />

können – im Gegensatz zu den in Rikers wichtigem Buch gewonnenen Erkenntnissen.<br />

Die »neuen Regionalisten« haben nicht mehr die gleichen Interes-

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