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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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246 IV · Föderalismus und Unitarismus<br />

Länder als Ansatzpunkt der Demokratisierung entstanden und von regionalen<br />

Eliten erbittert auch gegen Zusammenlegungspläne unter de Maizière<br />

verteidigt worden. Nach dem 3. Oktober 1990 schien es unmöglich, das<br />

zarte Pflänzchen regionaler Autonomie wieder auszureißen, sodass die<br />

»landsmannschaftliche Verbundenheit« (außer bei Sachsen-Anhalt, das allenfalls<br />

ein Konglomerat von zufällig von Preußen irgendwann einmal erworbenen<br />

Gebieten plus dem Zwergstaat Anhalt darstellt) über die wirtschaftliche<br />

Zweckmäßigkeit siegen konnte. Die wirtschaftliche Schwäche<br />

Ostdeutschlands hat damit dauerhaft die Asymmetrie im bundesdeutschen<br />

Föderalismus verstärkt. Deutschland – eigentlich die älteste Föderation der<br />

Welt, wenn man das Deutsche Reich bis 1806 einbezieht – hat einerseits die<br />

Tradition einer konsensuellen politischen Kultur, die auf »amicabilis compositio«<br />

gerichtet ist, und andererseits als Kompensation unter preußischer<br />

Führung die unitarisierende Gleichheitsphilosophie gefördert, die von einem<br />

Zentrum her dachte.<br />

c) Ebenfalls zu beobachten sind unterschiedliche Rechte von Gebietseinheiten,<br />

wie sie sich in Kanada finden und besonders exzessiv in Russland,<br />

wo die legislativen Rechte eine Dreierhierarchie aufweisen. Wie zweitrangig<br />

die De-jure-Asymmetrie sein kann, zeigen die beiden metropolitanen<br />

Gebiete Moskau und Sankt Petersburg. Nach ihren Rechtssetzungsbefugnissen<br />

gehören in sie in die dritte Kategorie. Aber besonders das Moskauer<br />

Gebiet hat durch sein finanzielles De-facto-Gewicht eine außerordentliche<br />

Stellung in der Föderation.<br />

Milderes Licht könnte auf Russland durch den Hinweis fallen, dass auch<br />

eine altehrwürdige Föderation wie Kanada unter dem Druck der Separationsbewegungen<br />

die Asymmetrien vorangetrieben hat. In der »Kanada-Runde«<br />

der Föderalismusreform kamen in die Charlottetown-Vorschläge neue Asymmetrien<br />

(Watts 1999: 130f.). »Equity of provinces« (Section 1.2 [1]d) stand<br />

neben der Anerkennung Québecs als »distinct society« (Section 1.2[1]c und<br />

1.2[2]2). Für New Brunswick wurde die Gleichberechtigung der beiden<br />

Sprachen Englisch und Französisch eingefügt. Drei der neun Supreme<br />

Court-Richter müssen von der »civil law bar of Québec« stammen (Section<br />

18). Zur Bekämpfung der separatistischen Tendenzen wurde sogar präventiv<br />

an künftige Verfassungsänderungen gedacht: Die Bundesverfassung kann<br />

nicht mehr ohne Konsens von Québec geändert werden. Sonderlösungen <strong>für</strong><br />

die Aborigines sind in Föderationen wie Australien und Kanada ebenfalls<br />

notwendig geworden, ohne dass diese Asymmetrie das Gleichgewicht der<br />

politischen Kräfte nennenswert beeinflusst.

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