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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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220 III · Die Handlungsfähigkeit der Demokratie<br />

lungen sequenzialisiert, so dass Entscheidungen in Teilschritte zerlegt und<br />

Konflikte »klein gearbeitet« werden können (<strong>Scharpf</strong>/Reissert/Schnabel<br />

1976: 44). Auf eine sachliche Aufteilung der Konfliktgegenstände läuft eine<br />

Strategie hinaus, bei der konfliktträchtige von weniger konfliktträchtigen<br />

Bestandteilen getrennt werden (»Entscheidungssegmentierung«, ebd.: 47).<br />

Rainer Eising fand in einer Untersuchung der Verhandlungen im Ministerrat<br />

der EU heraus, dass diese Praxis hier üblich ist, wobei zuerst die weniger<br />

konfliktträchtigen Themen entschieden und dann im weiteren Verhandlungsverlauf<br />

als nicht mehr disponibel ausgeklammert werden (Eising 2000: 232).<br />

Während bei der Konfliktvertagung oder der inkrementellen Problembearbeitung<br />

die Gefahr besteht, dass wesentliche Probleme verdrängt werden,<br />

jedenfalls der Innovationsgrad der Politik gering ist, werden durch eine<br />

sachliche Zerlegung der Konfliktthemen Lernprozesse induziert. Die soziale<br />

Untergliederung des Verhandlungssystems beschrieb <strong>Scharpf</strong> mit den Strategien<br />

der Bilateralisierung, der negativen Koordination, der Spezialisierung<br />

und der Fraktionsbildung (<strong>Scharpf</strong>/Reissert/Schnabel 1976: 42–44). Die<br />

Bilateralisierungsstrategie in Verbindung mit der negativen Koordination<br />

wählte etwa Bundeskanzler Schröder, um durch Zugeständnisse an einzelne<br />

Länderregierungen im Bundesrat eine Mehrheit <strong>für</strong> die Steuerreform 2000<br />

zu erzielen. Auch Koalitionsbildungen sind in den Bund-Länder-Beziehungen<br />

nicht selten. In Verhandlungen über finanzpolitische Themen kommt es<br />

häufig zu einer Abstimmung von Entscheidungen zwischen der Bundesregierung<br />

und Landesregierungen, die von der Regierungspartei im Bund gestellt<br />

werden (Renzsch 1991). In der EU sind die deutsch-französische Achse<br />

oder die Verhandlungen zwischen den Regierungen der großen Mitgliedstaaten<br />

als bekannteste Beispiele <strong>für</strong> Koalitionsstrategien zu nennen. Auch<br />

sie tragen dazu bei, Politikblockaden aufzulösen und innovative Entscheidungen<br />

zu realisieren. Allerdings gehen sie auf Kosten der Interessenberücksichtigung.<br />

Strategien, welche die institutionellen Rahmenbedingungen des Verhandlungssystems<br />

verändern, wurden von <strong>Scharpf</strong> als eher unwahrscheinlich bezeichnet.<br />

Seine These der »Politikverflechtungsfalle« besagt, dass selbst<br />

dann, wenn Akteure erkennen, dass in den gegebenen Verflechtungsstrukturen<br />

keine erfolgreiche Politik möglich ist, institutionelle Änderungen unwahrscheinlich<br />

sind (<strong>Scharpf</strong> 1985). Das ist sicher richtig, soweit damit institutionelle<br />

Reformen gemeint sind, durch welche das Mehrebenensystem<br />

formell entflochten wird. Die Alternativen einer Zentralisierung oder einer<br />

Dezentralisierung bedeuten <strong>für</strong> eine Ebene einen Verlust an Kompetenzen,<br />

den ihre Vertreter nicht konzedieren können. Ist <strong>für</strong> institutionelle Reformen

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