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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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242 IV · Föderalismus und Unitarismus<br />

Einheit 1990 wurde die Verheißung auf »Gleichwertigkeit« reduziert. Aber<br />

auch in dieser abgeschwächten Form erscheint die Formel dem angelsächsischen<br />

Denken in Föderationen wie den USA oder Kanada fremd. Niemand<br />

nimmt dort Anstoß daran, dass der Staat Kalifornien sechsmal höhere Sozialtransfers<br />

an die Bevölkerung vornimmt als das arme Alabama (Majone<br />

1996). In Föderationen mit Riesendistanzen, in denen das Lebensniveau der<br />

Hauptstadt <strong>für</strong> die periphere Bevölkerung allenfalls ein rares Fernseherlebnis<br />

ist, spielt die Gleichheitsideologie eine geringere Rolle. Das scheint<br />

selbst <strong>für</strong> den fernen Osten Russlands zu gelten, der immerhin siebzig Jahre<br />

unter der Gleichheitsideologie des Kommunismus gelebt hatte. Föderationen<br />

mit unterschiedlichen Ethnien können ebenfalls Abstriche an der Gleichheit<br />

leichter hinnehmen als ethnisch homogene Föderationen. Galicia oder<br />

Sizilien werden natürlich immer Bittsteller bei der Zentrale sein. Dennoch<br />

erzeugt der schleppende Anpassungsprozess keine Sezessionsgelüste, solange<br />

der »Stolz auf die abgewetzten Hosen« sich in autonomen Sonderrechten<br />

hinreichend ausdrücken kann.<br />

Aufgeklärter Neo-Institutionalismus ist per se »policy«-orientiert. Föderalistische<br />

Strukturen können daher nicht mehr im Stil des Altinstitutionalisten<br />

Wheare verallgemeinert werden: »how federal government should be<br />

organized«. Je nach Politikfeld können unterschiedliche Strukturen wünschenswert<br />

sein.<br />

Transformationseliten haben in Prozessen der Föderalisierung zwei Instrumente<br />

eingesetzt, um der sozialen Heterogenität der Gliedeinheiten<br />

Rechnung zu tragen:<br />

– durch Gewährung von Autonomie an die Untereinheiten<br />

– und durch Herstellung fairer Chancen <strong>für</strong> Minderheiten im Wahlsystem.<br />

Das war einer der Gründe da<strong>für</strong>, dass Mehrheitswahlsysteme, wie sie viele<br />

Postkommunisten bevorzugten, in den neuen Demokratien auf die Dauer<br />

nicht möglich waren. Der »Institutionenmix« als Produkt des »constitutional<br />

engineering« in Osteuropa war meist eine Form der Subsystemautonomie in<br />

Verbindung mit einem Verhältniswahlrecht. Nur in den Commonwealth-<br />

Ländern, vor allem in Kanada, war die Westminister-Tradition so stark, dass<br />

das Verhältniswahlrecht nicht durchsetzbar wurde. Ein nicht-föderaler Staat<br />

wie Neuseeland hat 1993 diese Tradition durchbrochen – durchaus aus Erwägungen<br />

der Schaffung von Subsystemautonomie, in diesem Fall <strong>für</strong> die<br />

Maori. In Russland wirkte sich die Wahl eines Grabensystems auf regionaler<br />

Ebene trotz des Kompromisses zweier Modelle eher wie ein Mehrheitswahlsystem<br />

aus (Nohlen/Kasapovic 1996: 34ff.) und stärkte die Lokalma-

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