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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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216 III · Die Handlungsfähigkeit der Demokratie<br />

auch die eine Regierung unterstützenden Mehrheitsfraktionen, vorrangig die<br />

Vorteile <strong>für</strong> die eigene Wählerschaft berücksichtigen, muss auch eine Regierung<br />

dem folgen, selbst wenn dadurch positiv zu bewertende Lösungen<br />

in intergouvernementalen Verhandlungen erschwert werden. Die Tatsache,<br />

dass sie auf das Vertrauen der Parlamentsmehrheit angewiesen ist und dass<br />

dieser die prinzipielle Möglichkeit eines Vetos zugesprochen werden muss,<br />

verstärkt die auf Verteilungsaspekte gerichtete Interaktionsorientierung einer<br />

Regierung. 3<br />

Parlamente verfügen über zwei Formen von Vetomacht (in dem oben genannten<br />

Sinn): Sie können zum einen vor den Verhandlungen der Regierungen<br />

die Verhandlungsposition bestimmen und damit andere Verhandlungsoptionen<br />

ausschließen. Zum anderen können sie nachträglich über die Annahme<br />

oder Ablehnung eines Verhandlungsergebnisses befinden, wobei in<br />

den Fällen, in denen keine förmliche Ratifizierung durch Parlamente erforderlich<br />

ist, dieser Beschluss lediglich als Vertrauens- oder Misstrauensbekundung<br />

gegenüber der eigenen Regierung wirkt. Anders als die Regierungen<br />

können Parlamente dabei nicht Spielräume <strong>für</strong> eine Einigung in den<br />

intergouvernementalen Verhandlungsprozessen ausloten. Sie entscheiden<br />

vielmehr ohne Kenntnis der Verhandlungspositionen und -strategien der<br />

Kooperationspartner. 4 Wenn Parlamente vor den Verhandlungen ihren Willen<br />

erklären und damit die Regierung an eine Verhandlungsposition binden,<br />

dann schränken sie den Bereich möglicher Ergebnisse von Verhandlungen<br />

ein. Gleiches gilt, wenn die Regierungen Vetos ihrer Parlamente antizipieren<br />

und die Position der Mehrheitsfraktionen übernehmen, ohne dass diese<br />

explizit verlautbart wird. Sofern Parlamente nachträglich Verhandlungslö-<br />

3 In welchem Maß diese Orientierungen ausgeprägt sind, hängt von dem Verhältnis zwischen<br />

Regierung und Opposition, der Struktur des Parteiensystems (dualistische Konfrontation<br />

zwischen zwei Parteien oder gemäßigter Wettbewerb im Mehrparteiensystem;<br />

vertikal integriertes oder nach Ebenen differenziertes Parteiensystem), der Autonomie von<br />

Parlamentsfraktionen gegenüber ihren Parteien und anderen Faktoren ab (vgl. z.B. Kropp<br />

2001: 68–86). Darauf gehe ich hier aber nicht näher ein. Grundsätzlich befinden sich in<br />

einem parlamentarischen Regierungssystem Mehrheitsparteien und Oppositionsparteien in<br />

der parlamentarischen Arena in einem – mehr oder weniger ausgeprägten – Wettbewerb.<br />

4 Spieltheoretisch betrachtet liegt damit eine Verbindung zwischen zwei unterschiedlichen<br />

Spielen vor, einem kooperativen Spiel der Regierungen und einem nicht-kooperativen<br />

Spiel zwischen den Regierungen und den sie kontrollierenden Parlamenten. Anders als die<br />

Regierungen sind die Parlamente nicht in Kommunikationsprozesse mit den anderen Konfliktparteien<br />

einbezogen und sie sind auch nicht auf die Einhaltung einer Vereinbarung<br />

verpflichtet. Allerdings gibt es in manchen Parlamenten Verfahrensregeln, durch die ein<br />

kontinuierlicher Informationsaustausch zwischen zuständigen Ausschüssen und der Exekutive<br />

realisiert wird.

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