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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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282 IV · Föderalismus und Unitarismus<br />

me Erklärung des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesvereinigung<br />

der Deutschen Arbeitgeberverbände zu einer einheitlichen Wirtschaftsund<br />

Sozialordnung in beiden deutschen Staaten« vom 9. März 1990, von der<br />

oben die Rede war (dazu ausführlicher Lehmbruch 1996). Die jahrzehntelangen<br />

kollektiven Lernprozesse der Tarifparteien hatten offensichtlich dazu<br />

geführt, dass sich hier ein in der Vergangenheit bewährtes strategisches Repertoire<br />

verselbständigte. 27<br />

Das manifeste Scheitern dieser sozialpartnerschaftlichen Unitarisierungsstrategie<br />

im deutschen Vereinigungsprozess zeigte zunächst, dass die Problemverarbeitungskapazität<br />

des Systems der tarifpolitischen Koordinierung<br />

so starke räumliche Disparitäten, wie sie hier auftraten, nicht bewältigen<br />

konnte. Und bei der schleichenden Erosion des Flächentarifvertrags, die in<br />

den neunziger Jahren einsetzte, hatte Gesamtmetall offensichtlich zunehmende<br />

Mühe, die Landes- und Bezirksverbände der metallindustriellen Arbeitgeber<br />

mit ihrem regionalen Fokus noch unter Kontrolle zu halten. Hier<br />

zeigten sich Spannungslinien, die auf die Entwicklungsgeschichte des Verbandswesens<br />

der Unternehmerschaft zurückweisen. Die Erwartung, dass<br />

sich jene Erosionstendenzen mit der abnehmenden Bedeutung des nationalstaatlichen<br />

Handlungsrahmens <strong>für</strong> wirtschaftliche Entscheidungen verstärken<br />

werden, ist inzwischen so allgemein verbreitet, dass dies hier keiner näheren<br />

Erörterung bedarf.<br />

Doch darf nicht übersehen werden, dass diese Entwicklungen bislang auf<br />

den Privatsektor beschränkt geblieben sind. Im öffentlichen Sektor begegnen<br />

wir, anders als in Branchen wie der Metallindustrie, einer auch formell<br />

zentralisierten Tarifpolitik. Der Zusammenhang zwischen der »policy legacy«<br />

des NS-Regimes und der westdeutschen Nachkriegsentwicklung ist hier<br />

offensichtlich: Die Tarifverträge <strong>für</strong> Arbeiter (von 1959 und 1960) und der<br />

Bundesangestelltentarif (BAT) von 1961 haben die Tarifordnungen von<br />

1938 bruchlos abgelöst. 28 Aber beim BAT wird dann auch die institutionelle<br />

Problematik besonders deutlich: Während das tarifpolitische Regelwerk im<br />

NS-System von dem reichsweit zuständigen Sondertreuhänder autoritär erlassen<br />

werden konnte, wurde nun ein regelsetzender Verhandlungsprozess<br />

erforderlich, bei dem auf der einen Seite ein dezentralisiertes Akteurnetz-<br />

27 »Learning in organizations is often superstitious, that is, organizations become committed<br />

to routines that are shaped by early and often arbitrary successes« (DiMaggio/Powell<br />

1991: 192).<br />

28 Ich vernachlässige im Folgenden die Manteltarifverträge <strong>für</strong> Arbeiter, die <strong>für</strong> Bund, Länder<br />

und Gemeinden getrennt abgeschlossen werden.

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