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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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M.G. Schmidt · »Komplexe Demokratietheorie« nach drei Jahrzehnten 167<br />

Überdies legen Ergebnisse der vergleichenden Staatstätigkeits- und Demokratieforschung<br />

die These nahe, dass die komplexe Demokratietheorie –<br />

ebenso wie der Hauptstrom der Denationalisierungsdebatte – dazu neigt, die<br />

relative Bedeutung der Denationalisierungstrends zu überzeichnen. Denn<br />

beide wägen die Einschränkung nationalstaatlicher Handlungsspielräume<br />

durch Denationalisierung nicht in vollem Umfang 14 mit gegenläufigen Tendenzen<br />

ab. Mehr Aufmerksamkeit verdient eine Tendenz, die sich erst dem<br />

historischen und internationalen Vergleich voll erschließt: Der von der nationalstaatlichen<br />

Politik direkt oder mittelbar beherrschbare Raum ist in den<br />

demokratischen Industriegesellschaften vor allem in der zweiten Hälfte des<br />

20. Jahrhunderts beträchtlich vergrößert worden – und zwar vor allem durch<br />

den Auf- und Ausbau (und anschließend weitgehende Aufrechterhaltung)<br />

der Staatstätigkeit. 15 Hierdurch wurde auch der demokratisch beherrschbare<br />

Raum erweitert. Genauere Erkundungen stehen noch aus. Doch prüfungswürdig<br />

ist die These, dass der prinzipielle nationalstaatliche Gestaltungsspielraum<br />

– trotz Denationalisierung mitsamt Europäisierung – mittlerweile<br />

kaum nennenswert kleiner ist als beispielsweise in den fünfziger und sechziger<br />

Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Höhe der (um trans- und internationale<br />

Effekte bereinigten) Staatsquote könnte hier<strong>für</strong> ein hilfreicher Indikator<br />

sein, die gesetzgeberische Regulierungsdichte (abzüglich trans- und internationaler<br />

Effekte) ein zweiter, der Anteil der Staatsbürger, der seinen Lebensunterhalt<br />

überwiegend aus öffentlicher Auftragsvergabe, Subventionen, Sozialeinkommen<br />

sowie Lohn und Gehalt im öffentlichen Dienst bezieht, ein<br />

dritter.<br />

Bestätigte sich diese These, wäre die Herausforderung der nationalstaatlichen<br />

Demokratie durch Denationalisierungsvorgänge flacher als man, gestützt<br />

auf komplexe Demokratietheorie und Denationalisierungslehren, vermuten<br />

könnte. Das flachere Profil der Herausforderung könnte zudem besser<br />

verständlich machen, warum die Demokratie hier zu Lande und in den<br />

meisten OECD-Staaten trotz zunehmender Denationalisierung erstaunlich<br />

gut funktioniert, leidlich anpassungsfähig ist und obendrein sich beträchtlicher<br />

Zustimmung erfreut 16 , und warum ferner die demokratische Staatsverfassung<br />

in den vergangenen zwei Jahrzehnten – also gerade im Zeitalter der<br />

14 Diese Einschränkung ist zwingend, denn beide Denkgebäude erörtern mitunter Fälle der<br />

Erweiterung innenpolitischer Gestaltungschancen infolge von hoher oder weiter zunehmender<br />

Denationalisierung.<br />

15 Zur Empirie Tanzi/Schuhknecht (1995), Tanzi (2000: Kapitel 2 und 4).<br />

16 Vgl. z.B. Kaase/Newton (1995), Klingemann (1999), Norris (1999), Welzel (2002), Roller<br />

(2001).

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