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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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von Beyme · Die Asymmetrisierung des postmodernen Föderalismus 245<br />

lich wie in Spanien – flexibel auf politischen Druck hin verändert und von<br />

16 (1989) auf 21 (1993) vergrößert. In einigen Fällen kam die Zunahme<br />

durch Spaltung zu Stande (Tschetschenien und Inguschetien), in den meisten<br />

Fällen hingegen durch einen Prozess der Aufwertung (z.B. Altai). Nur<br />

diese Gruppe hat das Recht, den staatlichen Institutionen Zweisprachigkeit<br />

abzuverlangen. In Italien ist das Statut Siziliens noch vor der italienischen<br />

Verfassung geschaffen und niemals mit der Verfassung koordiniert worden.<br />

Sezessionsdrohungen führten zu dieser Form der »pre-autonomia«. Die fünf<br />

ethnisch definierten »besonderen Regionen« und die fünfzehn »ordentlichen<br />

Regionen« haben unterschiedliche Rechtsqualität in ihren Statuten sowie<br />

differierende Kompetenzen (vgl. Pizzorusso in: Kramer 1993: 48 ff.).<br />

b) Eine weitere zentralistische Asymmetrie beruht auf der Möglichkeit des<br />

Bundes, über eine territoriale Reorganisation nachzudenken. Gerhard Lehmbruch<br />

(2000: 89) hat mit Recht auf einen Widerspruch in Deutschland hingewiesen:<br />

Der Ruf nach mehr Wettbewerbsföderalismus geht zusammen mit<br />

einem unitarischen Denken, das auf Länderreform drängt. Der Hinweis auf<br />

»landsmannschaftliche Verbundenheit« im Grundgesetz ist föderalistisch,<br />

die Hoffnung auf »wirtschaftliche Zweckmäßigkeit« der territorialen Einheiten<br />

hingegen entsprang eher zentralistischem Denken (Art. 29 GG). Dass<br />

Indien, Südafrika oder Nigeria mit Reorganisationen von oben gearbeitet<br />

haben, ist kaum verwunderlich. Der Fall Belgien, der gelegentlich erwähnt<br />

wird (Agranoff 1999: 36), passt hingegen nicht in diese Rubrik, weil das<br />

ganze Staatswesen – keineswegs von oben, sondern auf Druck vor allem der<br />

flämischen Landesteile – reorganisiert werden musste. In Belgien war die<br />

Reorganisation, die eine Provinz wie Brabant nach Sprachgruppen aufteilte,<br />

eine Frucht des »Dissoziationsföderalismus« (Delwit et al. 1999: 53). Eher<br />

wäre Kanada ein gutes Beispiel, wo es immer wieder Vorschläge gegeben<br />

hat, einige arme Provinzen zusammen zu schließen, etwa zu einer »maritimen<br />

Union«. Sogar die Aufspaltung großer Provinzen wurde diskutiert. Mit<br />

Québec ist dies jedoch nicht möglich. Hier wurde entweder das Modell einer<br />

bipolaren Föderation nach dem Muster Belgiens oder eine Föderation Québecs<br />

mit einem Bund der Staaten Rest-Kanadas erwogen (Watts 2000: 135).<br />

Alle territorialen Reorganisationspläne haben in Bundesstaaten den Nachteil,<br />

dass sie den Teufel der wirtschaftlichen Asymmetrie mit dem Beelzebub<br />

eines zentralistischen Reißbrettdenkens auszutreiben versuchen. In<br />

Deutschland schien dies nach der Wiedervereinigung durchaus angebracht,<br />

da die DDR-Länder bereits 1952 abgeschafft worden waren. Aber schon in<br />

der kurzen Zeit der demokratischen Souveränität der DDR waren die fünf

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