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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Benz · Konstruktive Vetospieler in Mehrebenensystemen 221<br />

die Zustimmung zentraler wie dezentraler Regierungen und Parlamente erforderlich,<br />

und dies ist in Mehrebenensystemen vom Typus des deutschen<br />

Bundesstaats und der EU der Fall, so scheidet ein Abbau der Politikverflechtung<br />

praktisch aus. Solche Reformen scheitern an der Macht der Vetospieler.<br />

Praktisch realisierbar sind aber institutionelle Veränderungen der Verhandlungsstrukturen<br />

durch Anpassung der Interaktionsregeln, ohne dass<br />

Kooperationsbeziehungen aufgelöst werden. Neue Regeln können dabei<br />

entweder <strong>für</strong> eine konkrete Entscheidungssituation genutzt werden oder zu<br />

dauerhaften Veränderungen führen. Anders als dies in der Politikverflechtungstheorie<br />

unterstellt wird, halte ich diese Strategien <strong>für</strong> besonders relevant<br />

<strong>für</strong> die Politik in verflochtenen Mehrebenensystemen. Alle fördern sie<br />

die Entscheidungs- und Innovationsfähigkeit von Politik. Die folgenden<br />

Beispiele sollen dies verdeutlichen:<br />

– Die erste Strategie wird als »level shifting« bezeichnet. Gemeint ist damit<br />

die Verlagerung von Verhandlungen auf eine andere Ebene in der Entscheidungshierarchie<br />

von Regierungen oder in ein Gremium mit speziellen<br />

Zuständigkeiten. Dadurch werden nicht nur neue Akteure ins Spiel<br />

gebracht, sondern auch die anstehenden Probleme in einem veränderten<br />

Entscheidungskontext neu definiert. Die Strategie beinhaltet also einerseits<br />

eine Veränderung von Konfliktstrukturen durch Umdefinition des<br />

Entscheidungsproblems, andererseits aber auch eine Verlagerung der<br />

Verhandlungen in andere Institutionen. 6 Elinor Ostrom erkannte die Bedeutung<br />

der Ebenenverlagerung in ihrer Untersuchung der »Commonpool«-Probleme<br />

(Ostrom 1990). Sie stellte fest, dass Akteure zur Lösung<br />

des Verhandlungsdilemmas fähig sind, wenn sie den Interessenkonflikt<br />

zu einer Verfassungsfrage beziehungsweise einer Frage der Änderung<br />

des institutionellen Kontexts machen. »Level shifting« wird auch in der<br />

EU praktiziert, wobei zwei Richtungen feststellbar sind: Zum einen können<br />

Fachausschüsse mit der Behandlung eines Problems betraut werden,<br />

über das es zwischen Ministern oder den Staats- und Regierungschefs<br />

keine Einigung gibt. Zum anderen können Verhandlungen, die auf der<br />

Ebene der Fachgremien blockiert sind, auf die hierarchisch höhere Ebene<br />

verlagert werden, wo der Verhandlungsspielraum durch Themenbünde-<br />

6 Im Unterschied zu den oben genannten Veränderungen der »policies« handelt es sich hier<br />

aber darum, dass ein Problem in einen neuen sachlichen Zusammenhang gestellt wird, der<br />

in aller Regel notwendigerweise einen anderen institutionellen Kontext erfordert.

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