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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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268 IV · Föderalismus und Unitarismus<br />

turelle Spannungen. Nun reichen die Wurzeln der Netzwerke zwischen dem<br />

Staat und den Unternehmerverbänden der Industrie in die erste Entwicklungssequenz<br />

des modernen deutschen Staates zurück, also in die Modernisierungsphase<br />

der deutschen Einzelstaaten vor der Nationalstaatsgründung.<br />

Von daher gibt es in der Organisation der Unternehmerinteressen starke dezentrale<br />

Momente, die nach der Gründung des Nationalstaates dann zwar<br />

partiell durch Zentralisierungstendenzen überlagert, aber keineswegs verdrängt<br />

wurden. Anders verhält es sich mit der Organisation der Gewerkschaften<br />

und der Entwicklung des Systems der Arbeitsbeziehungen. Bei den<br />

Gewerkschaften haben seit dem späten 19. Jahrhundert Zentralisierungstendenzen<br />

ein deutliches Übergewicht bekommen, und die Institutionalisierung<br />

der Arbeitsbeziehungen war dann in Deutschland ganz eindeutig zugleich<br />

ein Vorgang der »Nationalisierung«. 7 Die Arbeitsbeziehungen haben infolgedessen<br />

schon lange einen eindeutig nationalen Fokus, während in der Organisation<br />

der Unternehmerschaft subnationale Orientierungen viel stärker<br />

fortgelebt haben. Die Vermutung legt nahe, dass sich daraus – angesichts<br />

der Verknüpfungen zwischen industriellen Unternehmerverbänden und Arbeitgeberverbänden<br />

– strukturelle Spannungen ergeben. Diese Spannungen<br />

werden – so ist zu vermuten – durch eigentümliche »Spill-over«-Effekte aus<br />

den Arbeitsbeziehungen im öffentlichen Sektor noch verstärkt, die sich mit<br />

dem Begriff der »mimetischen Isomorphie« (DiMaggio/Powell 1991: 67–<br />

74) fassen lassen.<br />

Zur Begrifflichkeit ist hier noch anzumerken, dass der Zentralisierungsbegriff<br />

bei Unternehmerverbänden und Gewerkschaften mit unterschiedlichen<br />

Bedeutungsdimensionen verwendet werden kann. In unserem Zusammenhang<br />

interessiert vor allem räumliche Zentralisierung beziehungsweise<br />

Dezentralisierung, also die Frage nach der Autonomie regionaler Einheiten<br />

unterhalb der nationalen Organisationsebene. Man kann aber Zentralisierung<br />

beziehungsweise Dezentralisierung auch funktional verstehen, als die<br />

Frage nach der Autonomie von Branchenverbänden (oder Industriegewerkschaften).<br />

Sowohl in der Organisation der industriellen Unternehmerschaft<br />

als auch bei Gewerkschaften kann funktionale Dezentralisierung zugleich<br />

ein Instrument von Zentralisierung von Einfluss bei der nationalen Verbandsführung<br />

zu Lasten regionaler Autonomie bedeuten; dies muss man im<br />

Folgenden im Auge behalten.<br />

7 Als »Nationalisierung« bezeichne ich hier die nationalstaatlichen Integrationsprozesse, zu<br />

denen insbesondere die zunehmende Fokussierung verbandlicher Aktivitäten auf den politischen<br />

Rahmen und die Institutionen des Nationalstaates gehört.

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