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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Schneider · Komplexität und Policy-Forschung 297<br />

ner konventionellen deduktiven, auf universelle Gesetzmäßigkeiten rekurrierende<br />

Erklärungsstrategie eingegangen werden, die mit der Kontingenzproblematik<br />

zusammenhängen.<br />

2.2 Kontingenz<br />

Kontingenz herrscht, wenn ein Zustand weder unmöglich noch notwendig<br />

ist, das heißt, wenn <strong>für</strong> ein Ereignis ein abgegrenzter Gelegenheitsraum existiert<br />

(Stegmüller 1983; Luhmann 1984). Die nahe liegendsten Beispiele <strong>für</strong><br />

Kontingenz sind die vielfältigen Formen in Natur und Kultur, die die Evolution<br />

erzeugt hat. Warum ein bestimmter Organismus schließlich gerade so<br />

und nicht anders realisiert wurde, kann dort nicht durch ein singuläres<br />

Strukturprinzip erklärt werden, sondern nur durch die komplexe Vorgeschichte.<br />

Andere Voraussetzungen und lokale Kontextbedingungen würden<br />

andere Formen erzeugen. Wollte man die spezifisch existierende Struktur<br />

einer Lebensform restlos erklären, dann müssen letztlich sämtliche Glieder<br />

einer historischen Ursachenkette verfolgt werden, die da<strong>für</strong> verantwortlich<br />

sind, dass ausgerechnet die heute vorfindbare Form entstanden ist.<br />

Eine anschauliche Definition von Kontingenz ermöglicht das Konzept<br />

der »Fitnesslandschaft« (Kauffman 1993, 1998; Schneider 2001). Eine solche<br />

Landschaft besteht aus virtuellen Orten, die bestimmte Genkombinationen<br />

repräsentieren, wobei die jeweiligen Distanzen zwischen den unterschiedlichen<br />

Orten die Ähnlichkeiten dieser Kombinationen ausdrücken.<br />

Die Höhenlage der Ortschaften – die dritte Dimension – drückt schließlich<br />

den Anpassungsgrad (»fitness«) der jeweiligen Kombination aus. Die Herausbildung<br />

einer spezifischen Genkombination kann dann als zufallsgesteuerter<br />

Spaziergang (»random walk«) zwischen den verschiedenen Orten aufgefasst<br />

werden. Marginale Variationen sind Bewegung zu einer benachbarten<br />

Ortschaft, Mutationen eher Weitsprünge in ganz andere Regionen. Die<br />

Größe der Landschaft ist im Wesentlichen durch die Länge der Gen-Kombination<br />

bestimmt, wobei die Gesetze der Kombinatorik zeigen, dass relativ<br />

kleine Kombinationen bereits riesige Topologien erzeugen.<br />

Die evolutionäre Herausbildung einer bestimmten lebensfähigen Genkombination<br />

impliziert dann einen »erfolgreichen« »Random-Walk« auf einem<br />

langen Evolutionspfad, der über unzählige Gratwanderungen zu einer<br />

Höhenlage gelangt, die den gegenwärtigen Zustand indizieren. Erfolglose<br />

Versuche hängen hingegen in einem Talbecken fest. Auf Grund der immens<br />

großen Topologie ist davon auszugehen, dass die vorfindbaren, angepassten

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