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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Wiesenthal · Beyond Incrementalism 33<br />

rationalität (Stichwort »bounded rationality«) formuliert worden. Auf der<br />

Mesoebene kollektiver Akteure waren deren besondere Rekrutierungs-, Integrations-<br />

und Strategieprobleme (Stichwort »collective action dilemma«)<br />

sowie die Rationalitätsproblematik kollektiver Entscheidungen (Stichwort<br />

»social choice«) entdeckt und zum Bezugspunkt theoretischer Erklärungen<br />

gemacht worden. Und auf der Makroebene soziologischer Analyse hatte<br />

man erkannt, dass weder Wissenschaft noch Politik im Stande waren, den<br />

Begriff einer sowohl inklusiven als auch instruktiven Systemrationalität zu<br />

konzipieren (Stichworte Systemdifferenzierung und Selbstreferenzialität).<br />

Konsequenz dieser Erkenntnisse waren theoretisch und empirisch fundierte<br />

Aussagen zur Problematik langfristiger politischer Planung 2 und den eng<br />

begrenzten Möglichkeiten »rationaler Politik« (Elster 1987). Aus der Gegenperspektive<br />

wurden aber auch Zweifel am »prinzipiellen Steuerungspessimismus«<br />

(Mayntz/<strong>Scharpf</strong> 1995b: 11) angemeldet. Sie schlugen sich unter<br />

anderem in wachsendem Interesse an den verbliebenen Optionen der Steuerung<br />

gesellschaftlicher Teilsysteme nieder. 3<br />

Nachdem in den achtziger Jahren die Grenzen institutioneller Reform<br />

von den Verfechtern des neoliberalen Rationalisierungsprojektes – mit unterschiedlichen<br />

Resultaten – empirisch getestet worden waren, bietet das<br />

Jahrzehnt der postsozialistischen Transformationen ein ausgesprochen disparates<br />

Bild. Auf der einen Seite beweist die Mehrheit der europäischen<br />

Transformationsländer, dass ein Umbau von Wirtschaft und politischem<br />

System in weitgehender Übereinstimmung von Plan und Wirklichkeit möglich<br />

ist. Auf der anderen, der westlichen Seite des politischen Erfahrungsraums<br />

gewinnt das Negativparadigma der Unmöglichkeit solcher Reformen<br />

neue Unterstützer. Heute nehmen es nicht mehr nur Wissenschaftler in Anspruch,<br />

um Fälle des Scheiterns ambitionierter Projekte zu erklären, sondern<br />

auch politische Akteure verstehen es, mit seiner Hilfe Reformabstinenz und<br />

Risikoscheu zu verklären. 4<br />

Zur Verteidigung der systematischen Reformskepsis ließe sich anführen,<br />

dass sie vor allem die in konsolidierten Demokratien gesammelten Erfahrungen<br />

repräsentiere, während in den osteuropäischen Transitionsländern<br />

2 Vgl. Luhmann (1971), <strong>Scharpf</strong> (1972, 1979), Ronge/Schmieg (1973) und Kydland/Prescott<br />

(1977).<br />

3 Vgl. u.a. die Beiträge zu Mayntz et al. (1988), Mayntz/<strong>Scharpf</strong> (1995a) und <strong>Scharpf</strong>/<br />

Schmidt (2000).<br />

4 Hier sei nur an die Ankündigung des Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder erinnert, eine<br />

von ihm geführte Regierung werde »nicht alles anders, aber vieles besser machen«.

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