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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Wiesenthal · Beyond Incrementalism 57<br />

die politischen Bürgerrechte erlangt, seine Organisationen genossen die Anerkennung<br />

der organisierten Unternehmerschaft und des Staates. Die industriellen<br />

Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital waren seit 1906 institutionell<br />

befriedet. Beide Seiten demonstrierten ihre Kompromissbereitschaft in<br />

Verhandlungen auf der Ebene der Spitzenverbände. Dessen ungeachtet wurde<br />

in der sozialpolitischen Debatte noch mit der Möglichkeit einer Rückkehr<br />

zu den vorgeblich harmonischen Sozialverhältnissen der Vergangenheit gespielt.<br />

Dem harmonischen Gesellschaftsverständnis korrespondierte ein philanthropisches<br />

Verständnis von Sozialpolitik.<br />

Die Sozialreformen, die zur Lösung der Arbeiterfrage vorgeschlagen<br />

wurden, setzten einen Wandel des Staatsaufgabenverständnisses voraus. In<br />

Ansehung der Erfahrung mit den Bismarckschen Sozialreformen schien<br />

auch in Schweden eine weit reichende Aufgabenzuschreibung an den Staat<br />

möglich (Samuelsson 1968). Dem kam das Wachstum der Staatseinnahmen<br />

entgegen, das von einer Erhöhung der Importzölle bewirkt wurde. Allerdings<br />

mochte man das deutsche Modell wegen seiner »despotischen« Elemente<br />

nicht als Vorbild <strong>für</strong> die konkrete Ausgestaltung der schwedischen<br />

Sozialinstitutionen nehmen.<br />

Das Verlangen nach Sozialreformen wurde von einer breiten Öffentlichkeit<br />

unterstützt. Es gab eine akademisch ausgerichtete Reformbewegung,<br />

die sich <strong>für</strong> die Idee des sozialen Staatsinterventionismus erwärmte. Daneben<br />

agierten mobilisierungsstarke soziale Bewegungen mit demokratischpartizipatorischen<br />

und sozialpolitischen Zielen: die Bewegungen der Arbeiter,<br />

der Freikirchler und der Temperenzler. Gemeinsam bildeten sie eine<br />

einflussreiche antikonservative Gegenkultur.<br />

Die Be<strong>für</strong>worterkoalition setzte sich aus den (bis 1911) regierenden Konservativen,<br />

der staatlichen Bürokratie und den Liberalen zusammen. Sie war<br />

durch die Reports verschiedener Untersuchungsausschüsse informiert, in denen<br />

zwischen 1884 und 1912 mehrere Reformalternativen sondiert worden<br />

waren. Ihr Orientierungsrahmen verpflichtete sie vorrangig auf die Bewahrung<br />

des tradierten Musters der Sozialintegration, das durch eine tendenzielle<br />

Verschärfung des Klassenkonflikts und wachsende regionale Disparitäten<br />

als gefährdet erschien. Die Policyprämissen und -präferenzen der Konservativen<br />

zielten auf die Sicherung der sozialen Ordnung und der eigenen Machtposition.<br />

Auch die zunächst auf die Oppositionsrolle beschränkten Liberalen standen<br />

sozialpolitischen Innovationen aufgeschlossen gegenüber und nahmen<br />

konstruktiv an der Politikentwicklung teil. Sie konkurrierten mit der Sozialdemokratie<br />

um Arbeiterstimmen und vertraten gleichzeitig große Teile der

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