07.01.2013 Aufrufe

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Benz · Konstruktive Vetospieler in Mehrebenensystemen 223<br />

schließlich dazu, dass die intergouvernementale Zusammenarbeit einer<br />

begrenzten Gruppe von Staaten in den Verträgen verankert wurde. Dadurch<br />

wurde die Asymmetrie der Union institutionell festgelegt. Ähnliches<br />

kann in der Entwicklung des kanadischen Bundesstaats beobachtet<br />

werden. Hier gibt es, anders als in Deutschland, keine institutionalisierten<br />

Formen der Politikverflechtung. Intergouvernementale Vereinbarungen<br />

beruhen auf Freiwilligkeit. Kooperation wird nicht selten erreicht,<br />

indem auf die Zustimmung aller Provinzen verzichtet wird, weshalb sich<br />

die Interessenunterschiede zwischen den Provinzen in asymmetrischen<br />

Strukturen des Bundesstaates niederschlagen (Painter 1991; Watts 2002).<br />

Sind »Opting-out«-Klauseln nicht realisierbar, so können Vetos einzelner<br />

Akteure durch »Flexibilisierungsregeln« (am Beispiel der EU: Eichener<br />

1997: 605; Eising 2000: 245) umgangen werden. Regierungen wird dann<br />

zugestanden, dass sie beim Vollzug einer Entscheidung in ihrem Zuständigkeitsbereich<br />

von der gemeinsamen Lösung abweichen können. Generell<br />

erhöhen diese Strategien die Innovationsfähigkeit von Politik, die<br />

allerdings unter Umständen durch Exklusion von Interessen und Fragmentierung<br />

des politischen Systems erkauft wird.<br />

– Schließlich können Strategien der Vetospieler darauf gerichtet sein, bestehende<br />

Verhandlungsverfahren zu unterlaufen und die Konfliktregelung<br />

zu informalisieren. Dass Verhandlungslösungen in Gesprächen außerhalb<br />

der formalen Verfahren oder in inoffiziellen Expertengremien<br />

getroffen werden, ist ein üblicher und an sich nicht kritikwürdiger Vorgang<br />

in der politischen Praxis. Dauerhafte Wirkungen können daraus<br />

aber folgen, wenn sich informale Beziehungen zu Netzwerken verfestigen,<br />

die faktisch an die Stelle der institutionalisierten Politikverflechtung<br />

treten. Die Strategie der Informalisierung kann auch zu einer faktischen<br />

Dezentralisierung der Entscheidungen führen, wenn Gremien der Mehrebenenkoordination<br />

nicht funktionsfähig sind. Konfliktminimierende Entscheidungen<br />

in der Politikverflechtung lassen nicht selten den dezentralen<br />

Vollzugsinstitutionen so weite Entscheidungsspielräume, dass diese<br />

faktisch unkoordiniert agieren.<br />

Diese auf den institutionellen Kontext gerichteten Strategien sind geeignet,<br />

innovative Politik zu verwirklichen. Der Grad der Interessenberücksichtigung<br />

ist allerdings unterschiedlich: Im Fall des »level shifting« ist es möglich,<br />

dass der Kreis der involvierten Akteure erweitert und somit <strong>für</strong> zusätzliche<br />

Interessen geöffnet wird. Die Nutzung von Parallelinstitutionen führt<br />

zur Machtverschiebung zu Lasten legitimierter Entscheidungsinstanzen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!