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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Benz · Konstruktive Vetospieler in Mehrebenensystemen 217<br />

sungen überprüfen oder ratifizieren müssen, stehen sie im Fall von Vereinbarungen<br />

der Regierungen, die den Präferenzen der Parlamentsmehrheit widersprechen,<br />

vor dem Problem, zwischen der Annahme eines suboptimalen<br />

Ergebnisses und einer Misstrauensbekundung gegenüber ihrer Regierung<br />

abwägen zu müssen, wobei die zweite Alternative <strong>für</strong> die Mehrheitsfraktionen<br />

in der Regel eindeutig die schlechtere ist. Bei einer Ex-ante-Festlegung<br />

von Vetopositionen oder einer Antizipation von Ex-post-Vetos erhöht die<br />

Parlamentsbeteiligung drastisch die Blockadegefahren im Verhandlungssystem.<br />

Regierungen werden dann zu einer »positionsorientierten« Verhandlungsweise<br />

(Benz 1994: 120–122) veranlasst. Sofern Parlamente auf Interventionen<br />

in die Verhandlungsprozesse verzichten und sich mit der Ratifikation<br />

von Ergebnissen begnügen, kommt es zu der vielfach beklagten »Entparlamentarisierung«.<br />

Dieses zusätzliche Dilemma lässt sich damit auf folgende einfache Formel<br />

bringen: Je besser die Kontrolle funktioniert, desto wahrscheinlicher<br />

wenden Regierungen Verhandlungsstrategien an, welche Blockaden wahrscheinlich<br />

machen beziehungsweise schlechte Ergebnisse erzeugen. Problemlösende<br />

Verhandlungsstrategien (»arguing«, verständigungsorientiertes<br />

Verhandeln; Benz 1994: 125–127) sind unter Bedingungen strikter Kontrolle<br />

nicht zu erwarten, sondern erfordern eine hohe Autonomie der Regierungen.<br />

Dies aber widerspricht den Anforderungen an demokratische Legitimation<br />

(Benz 1998, 2001).<br />

Die Ursache <strong>für</strong> dieses Dilemma liegt – vereinfacht ausgedrückt – in der<br />

Verbindung von Entscheidungsregeln der Kooperation und des Parteienwettbewerbs<br />

in der parlamentarischen Arena (vgl. dazu <strong>für</strong> den deutschen<br />

Bundesstaat: Lehmbruch 2000). Verhandelnde Regierungen können in Kooperationsprozessen<br />

ihre Präferenzen wechselseitig anpassen oder durch<br />

Paketlösungen übereinstimmende Präferenzkombinationen finden. Parlamente,<br />

welche extern kontrollieren, vollziehen diese Anpassungsprozesse<br />

nicht ohne weiteres nach, zudem entscheiden sie unter der Bedingung der<br />

Konkurrenz zwischen Parteien um Wählerstimmen.<br />

Das so beschriebene Dilemma stellt eine theoretische Konstruktion dar.<br />

Was hier in wissenschaftlichen Begriffen beschrieben wurde, entspricht aber<br />

den Problemwahrnehmungen der handelnden Akteure. Wenngleich diese<br />

nicht die genaue Logik des Mehrebenendilemmas durchschauen, erkennen<br />

sie doch die grundsätzliche Problematik. Dieses ungefähre Wissen reicht<br />

aus, um sie zu veranlassen, nach Auswegen aus den »Fallen« der Mehrebenenstruktur<br />

zu suchen (Pierson 1995; Héritier 1999). Auf Grund praktischer<br />

Erfahrungen lernen sie und entwickeln heuristische Verfahrensweisen und

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