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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Lehmbruch · Verbändesystem zwischen Unitarismus und Föderalismus 263<br />

Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes wurden diese Entwicklungen<br />

wieder aufgenommen, und die Durchsetzung des korporatistischen Repräsentationsmonopols<br />

vollendete sich mit der Gründung des DGB als<br />

»Einheitsgewerkschaft« und der Entstehung des Deutschen Bauernverbandes.<br />

Der zeitliche Zusammenhang der beiden Entwicklungsstränge legt die<br />

Vermutung nahe, dass es zwischen der Unitarisierung des Bundesstaates einerseits,<br />

der Ausbildung der Institutionen einer »koordinierten Ökonomie«<br />

(Soskice 1999) andererseits eine eigentümliche Affinität gibt. In der Tat kam<br />

dieser Zusammenhang bei den institutionellen Reformen der großen Koalition<br />

deutlich zum Ausdruck: Die damals ausgerufene »Konzertierte Aktion«<br />

war ursprünglich – wie es der § 3 Abs. 1 des »Gesetzes zur Förderung der<br />

Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft« vom 8. Juni 1967 (kurz:<br />

»Stabilitätsgesetz«) programmatisch formulierte – als »gleichzeitiges aufeinander<br />

abgestimmtes Verhalten« sowohl der »Gewerkschaften und Unternehmensverbände«<br />

als auch der Gebietskörperschaften konzipiert (Näheres<br />

dazu in Lehmbruch 1999a). Unitarische Koordinierung der Politik von Bund<br />

und Ländern und konzertierte Einkommenspolitik waren somit komplementäre<br />

Elemente eines keynesianischen Steuerungsmodells.<br />

Dem Trend zur Unitarisierung staatlicher Politik, wie er sich seit langem<br />

in Deutschland beobachten lässt, korrespondieren also eigentümliche Prozesse<br />

gesellschaftlicher Institutionenbildung, insbesondere im Bereich der<br />

organisierten Interessenvermittlung. Und es fragt sich nun, wie man die hier<br />

beobachtete Kovariation zwischen der Organisation der Gesellschaft und<br />

der Staatsorganisation und zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Unitarisierung<br />

erklären kann. Wie ich in einer vorangehenden Untersuchung<br />

gezeigt habe, lässt sich die Struktur des »unitarischen Bundesstaates« in genetischer<br />

Perspektive als der Niederschlag einer Abfolge von institutionellen<br />

Entwicklungssequenzen interpretieren, in der es zu einer eigentümlichen<br />

Hybridisierung von föderalen Institutionen und einer unitarischen kulturellen<br />

Orientierung gekommen ist (Lehmbruch 2002). Da liegt die Vermutung<br />

nahe, dass die Koordinierungsmechanismen in den gesellschaftlichen Großorganisationen<br />

nicht nur eine mehr oder weniger zufällige Analogie zum<br />

Phänomen des »unitarischen Bundesstaates« darstellen, sondern dass darin<br />

die selbe komplexe Entwicklungsgeschichte deutscher Bundesstaatlichkeit<br />

ihren Niederschlag findet.

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